Lebendig und begraben
diesem …«
Ihre Stimme verstummte unvermittelt, als sich die akzentuierte Stimme einmischte. »Halte dich genau an das Drehbuch, Alexa, sonst wirst du nie wieder mit deinem Vater oder irgendjemand anderem reden.«
Sie kreischte, ihre Augen traten aus ihren Höhlen, ihr Gesicht war gerötet und ihr Kopf flog von einer Seite auf die andere; aber es waren keine Geräusche zu hören, und nach etwa zehn Sekunden wurde der Bildschirm schwarz.
»Nein!«, stieß Markus hervor und schoss förmlich aus seinem Sitz. Er betastete den Bildschirm mit seinen pummeligen Fingern. »Mein Baby! Mein Baby!«
»Der Link wurde unterbrochen«, erklärte Dorothy. Der Videofilm war wieder durch Alexas Jugendfoto ersetzt worden. Das süße kleine Mädchen mit dem Stirnband und dem Pony. »Sie hat nicht kooperiert. Sie hat versucht uns etwas mitzuteilen, vielleicht den Ort, wo sie gefangen gehalten wird.«
Marcus schien zu schwanken, konnte sich kaum auf den Beinen halten. Sein Gesicht war eine Fratze des Entsetzens.
»Das bezweifle ich«, erwiderte ich. »Alles an dem hier schreit nach Professionalität. Sie werden niemals zugelassenhaben, dass sie gesehen hat, wohin man sie gebracht hat.« Ich warf einen Blick auf Dorothys Notebook, sah eine Reihe von weißen Zahlen, die vor einem schwarzen Hintergrund vorbeisausten. Viel zu schnell, um sie lesen zu können. »Haben Sie etwas?«, erkundigte ich mich. »Können Sie herausfinden, woher das Signal gekommen ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wie es aussieht, sitzt Cam-Friendz auf den Philippinen, ob Sie es glauben oder nicht. Jedenfalls kommt der Videofilm von dort. Das ist also eine Sackgasse. Wahrscheinlich haben diese Kerle einen kostenlosen Account. Sie können überall auf der Welt sein.«
Marcus begann zu zittern, und ich erwischte ihn, bevor er zu Boden sank. Er war nicht ohnmächtig geworden, jedenfalls noch nicht. Ich setzte ihn sanft auf seinen Stuhl.
»Sie haben sie umgebracht«, sagte er. Er starrte trübselig ins Nichts.
»Nein«, widersprach ich. »Daran haben sie kein Interesse. Sie brauchen sie für ihre Lösegeldforderung.«
Er stöhnte und schlug sich die Hände vors Gesicht.
Dorothy stand auf und meinte, sie wollte uns ungestört reden lassen. Dann nahm sie ein zweites Notebook aus ihrer Guccitasche und ging in die Küche, um zu versuchen, die IP-Adresse ausfindig zu machen.
»Du hast so etwas erwartet, hab ich recht?«
»Tag für Tag, Nick«, antwortete er traurig.
»Und zwar nach dem, was Alexa damals im Chestnut-Hill-Einkaufszentrum passiert ist.«
»Genau.«
»Was, glaubst du, wollen sie?«
Er antwortete nicht.
»Du würdest doch jede beliebige Summe zahlen, um sie zurückzubekommen, hab ich recht?«
Jetzt starrte er einfach geradeaus, und ich wusste nicht, was er dachte.
Ich beugte mich auf meinem Stuhl vor und redete leise weiter. »Mach das nicht. Wenn sie Kontakt mit dir aufnehmen und verlangen, dass du Geld auf irgendein Konto in Übersee überweist, dann wirst du das, ohne zu zögern, tun. Ich kenne dich. Aber du musst mir versprechen, dass du nichts tun wirst. Nicht, bis du dich mit mir beraten hast und wir sicherstellen können, dass die Sache richtig über die Bühne geht. Falls du deine Tochter lebendig wiederhaben willst.«
Er starrte weiter geradeaus, offenbar auf etwas konzentriert, das sich nicht im Raum befand.
»Marshall? Ich möchte dein Wort darauf.«
»Von mir aus!«, fuhr er mich an.
»Du hast die Polizei nie angerufen, hab ich recht?«
»Ich …«
Ich unterbrach ihn, bevor er weitersprechen konnte. »Du musst eins über mich wissen«, meinte ich. »Ich mag es nicht, wenn meine Klienten mich anlügen. Ich mache das hier wegen Alexa, aber wenn ich herausfinde, dass du lügst oder mir etwas vorenthältst, bin ich weg. Ganz einfach. Kapiert?«
Er sah mich lange an und blinzelte.
»Ich gebe dir eine Amnestie für alles, was du bis jetzt getan oder gesagt hast«, fuhr ich fort. »Aber von jetzt an genügt eine Lüge, und ich bin raus. Also versuchen wir es noch einmal: Hast du die Polizei angerufen?«
Er zögerte. Dann schloss er die Augen und schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Okay. Immerhin ein Anfang. Warum nicht?«
»Weil ich wusste, dass sie einfach nur das FBI verständigen würden.«
»Und?«
»Das FBI interessiert sich nur dafür, mich in den Knast zu bringen. Ein Exempel an mir zu statuieren.«
»Und warum? Haben Sie etwas in der Hand?«
Er zögerte. »Ja«, sagte er dann.
Ich sah ihn scharf an.
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