Lebendig und begraben
ganzes Bargeld genommen, aber hatte wohl Angst, ihre Kreditkarten zu benutzen. Der gestohlene Porsche wurde in der Garage der Tufts-Universität gefunden.«
»Konntet ihr irgendwelche Ortsangaben ermitteln?«
»Der Wagen hat kein Navigationssystem, dafür ist er zu alt.«
»Also könnt ihr keinen eingebauten GPS-Chip benutzen, um herauszufinden, wohin er sie gefahren hat.«
Sie nickte. »Aber man hat Spuren eines weißen Pulvers gefunden.«
»Koks?«
»
Burundanga -Pulver
. Es ist ein Extrakt aus der
Borracio - Pflanze
, auch als kolumbianischer Teufelsatem bekannt. Die natürliche Quelle für Scopolamin.«
»Eine pflanzliche Droge, um sich seine Opfer gefügig zu machen.«
Sie nickte. »Ich habe gehört, die Hälfte der Einlieferungen in Bogotas Notaufnahmen ist auf
Burundanga
zurückzuführen. In Bordellen und Nachtclubs schütten Kriminelle ihren Opfern das Zeug in die Drinks. Es riecht nicht, ist vollkommen geschmacklos und wasserlöslich. Und es verwandelt die Opfer im Grunde in Zombies. Sie bleiben wach, sind aber total beeinflussbar. Ein vollständiger Verlust des freien Willens. Also tun die Opfer, was man ihnen sagt … sie heben ohne Widerrede ihr Geld vom Geldautomaten ab und übergeben es den Kriminellen. Wenn die Wirkung nachlässt, können sie sich nicht an nichts mehr erinnern.«
Auf dem Weg zu den Treppen kamen wir an dem Justizattaché vom brasilianischen Konsulat vorbei, dem Kerl mitdem langen, grauen Haar und dem teuren Anzug. Schwarzgelocktes Brusthaar lugte aus seinem geöffneten Hemdkragen. Er ging rasch, wirkte aber gedankenverloren und hielt den Kopf gesenkt.
Als wir die Treppen heruntergingen, fragte ich: »Irgendwelche Telefonaufzeichnungen in Perreiras Apartment, Handyspuren, irgendetwas in der Richtung?«
»Sie haben alles eingesammelt und arbeiten daran. Bis jetzt noch nichts.«
Als sie die Tür zum siebten Stockwerk öffnete, stoppte ich. »Hatte der Typ gerade nicht einen Schlips getragen?«
Sie schaute mich im schummrigen Licht des Treppenhauses an, dann machte sie auf dem Absatz kehrt, und wir gingen ziemlich rasch die Treppen wieder hinunter.
Als wir den Verhörraum erreichten, in dem ich mit Perreira gesprochen hatte, öffnete Diana die Tür und rang im selben Moment nach Luft.
Ich kann nicht sagen, dass mich das, was ich sah, völlig überraschte, aber ein grotesker Anblick war es allemal.
Mauricio Perreiras Körper war unnatürlich verdreht und sein Gesicht furchtbar verzerrt … eingefroren in einem stummen Todesschrei. Seine Lippen waren blau, und seine Augen waren aus ihren Höhlen getreten.
Fest um seinen Hals geschlungen wie ein Druckverband oder wie ein neckisches Modeaccessoire war der burgunderrote Seidenschlips des Justizattachés. Er war nur geringfügig dunkler als die Abschürfungen an der Kehle über und unter dem Knoten.
»Er ist wahrscheinlich immer noch im Gebäude«, sagte Diana. »Auf dem Weg nach draußen.«
46. KAPITEL
Ich raste durchs Treppenhaus die fünf Stockwerke bis zur Cambridge Street hinunter, in der Hoffnung, den Brasilianer noch zu erwischen, aber als ich auf die Straße hinausrannte, war nichts mehr von ihm zu sehen. Es gab mindestens ein Dutzend Möglichkeiten, wo er lang gegangen sein konnte. Ich machte kehrt und ging zurück in die Lobby. Vielleicht hatte er ja einen der Fahrstühle genommen, die sich mit der Geschwindigkeit von Gletschern bewegten, aber er tauchte nicht auf. Dann ging ich die Treppe zum Parkhaus unter dem One Center Plaza hinunter, aber als ich dort ankam, sah ich, dass ich mir keine Hoffnungen zu machen brauchte; es war einfach zu groß und labyrinthisch. Da er offensichtlich schon mit dem Vorsatz gekommen war, einen Mann zu töten, der sich im Gewahrsam des FBI befand, musste er seine Flucht im Voraus genauestens geplant haben.
Es gelang mir nicht, den Mann zu erwischen, der gerade die einzige Spur ausgelöscht hatte, die auch nur in die Richtung von Alexa Marcus führte.
In der Lobby der sechsten Etage traf ich wieder auf Diana, die sich nicht einmal die Mühe machte, Fragen zu stellen. »Du hattest sowieso keine Chance«, sagte sie.
Der Alarm schrillte durch die Korridore. Die Gänge waren voll mit verwirrten FBI-Agenten und Büroangestellten, die nicht wussten, wie sie sich verhalten sollten. Vor dem Verhörraum, in dem Perreira festgehalten worden war, hatte sich eine kleine Menschenansammlung gebildet. Drinnen waren schon FBI-Techniker von der Spurensicherung bei der Arbeit und sammelten
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