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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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sind hier unter uns,« fuhr der Vater schonungslos fort. – »Ist es wahr, mein Kind, daß dein Mann sich mit nackten Weibern einschließt, und du gutmütig genug denkst, es geschehe, um sie zu malen?«
    »Aber, lieber Vater, das tun alle Maler.«
    »Das hat er mir nicht gesagt, als er um deine Hand warb, ich hätte sonst wahrlich meine Einwilligung nicht gegeben, denn das ist der Religion und der Sittlichkeit völlig zuwider. Und ist es wahr, daß er um ein Uhr nachts erst heimkehrt?« –
    »Aber, lieber Vater – «
    »So ist er ein Spieler, denn solche Leute nur kommen so spät nach Hause. Und dir gönnt er auch nachts nicht Ruhe: du siehst, ich weiß alles. Du mußt nachts auf ihn warten, und wenn er Lust hat, mit ihm spazierengehen.«
    »Bester Vater, ein Künstler hat viel Sonderbares im Leben: um sein Talent anzuregen, muß er ganz anders leben als unsereiner. – Er liebt sehr die nächtlichen Szenen.«
    Jetzt fing auch die Mutter zu keifen an. »Ich wollte ihm nächtliche Szenen machen.« unterbrach sie die Tochter, »daß er daran denken soll. Wie kannst du mit einem solchen Manne leben, es ist ja ein Tollhäusler! Wie darf ein Ehemann, ohne ein Wort zu sagen, zehn Tage lang aus dem Hause bleiben, und dir macht er weiß, er sei in Dieppe gewesen, um die See zu malen, ja, es malt sich auch was, die See – ich weiß besser, wo er war.«
    «Liebe Mutter!«
    «Still! Ich will von dem Menschen nichts mehr wissen; niemals hat er einen Fuß in die Kirche gesetzt, außer einmal, um dich zu heiraten, und Leute, die nichts von der Kirche halten, sind zu allem fähig.«
    »Beste Mutter, du urteilst von einem Künstler gar zu unbarmherzig.«
    »Ein Künstler? – Ich habe ihn einmal in den elisäischen Feldern reiten sehen, bald jagte er im gestreckten Galopp, bald wieder ging sein Pferd, als wollte es einschlafen, und grüßt er deine Eltern wohl, wenn er ihnen auf der Straße begegnet? – Und obenein, wie behandelt er dich? – Man sagt, er mache es dir stets zum Vorwurf, daß du eine Kaufmannstochter bist, er lacht dich aus, wenn du über Bilder sprichst, er quält dich Tag und Nacht, und was noch mehr ist, er ist dir untreu und bricht die Ehe mit einer verrufenen welschen Gräfin Carigliano!«
    »Ja, mein Kind,« fiel der Vater ein, »das alles wissen wir, und weil du einmal hier bist, so sage ich es dir gerade heraus: Du sollst dich von dem Manne scheiden lassen, der dich bei Tage quält, bei Nacht dir den Schlaf nicht gönnt, um sich deiner zu entledigen, weil er dich nicht mehr liebt – und kurz und gut, du sollst hier bleiben und das Haus des schlechten Menschen gar nicht wieder betreten. – Ich als Vater halte es für Pflicht, dich gegen solche Mißhandlungen zu schützen, die ärger nicht sein können.«
    Da aber erhob sich Augustine weinend, erklärte, daß sie diesen Auftritt bei ihren Eltern nach langem Wiedersehen nicht erwartet, und versicherte mit aller Kraft ihrer Seele, daß sie nie einen Mann verlassen würde, den sie von Herzen liebe, und selbst wenn er ihr tausendmal ärgere Mißhandlungen zufügte.
    Sie verlangte ihren Wagen, nahm in Tränen von ihren Eltern und ihrer Schwester Abschied und sagte, daß sie nach den Beleidigungen, die man sich hier gegen ihren Gatten erlaubt, das Haus nie wieder betreten würde.
    Von aller Welt sich verlassen fühlend, kehrte sie heim. Sie durcheilte unruhvoll die großen Säle ihrer Wohnung, alles war öde, unheimlich, und kein einziger Gegenstand war, der ihr Trost einflößen konnte. »Was fange ich an,« seufzte sie, »das Herz meines Gatten wieder zu gewinnen? Kein Mittel will ich scheuen, selbst solche sollen mir willkommen sein, die ich bisher verabscheut. Läßt sich meines Gatten Herz nur durch Buhlerkünste gewinnen, ich will sie ihm zuliebe erlernen, bin ich nicht jünger, schöner als die geschminkte welsche Gräfin? Ich will zu ihr, wenn sie gut gesinnt ist, will ich von ihr das Herz meines Gatten zurückerbitten, wo nicht, von ihr lernen, durch welche Mittel ich es mir wieder erwerben kann.«
    Sie hielt Wort. Mit dem Mute, den ein gutes Gewissen ihr verlieh, bewaffnet, bestieg sie eines Nachmittags ihre prächtige Kutsche, um diese berühmte Kokette zu besuchen, welche vor dieser Stunde vor keinem sichtbar war.
    Augustine kannte die antiken und prächtigen Hotels in der Faubourg St. Germain noch nicht; ihr Herz pochte hörbar, als sie die prächtigen Flure, die grandiosen Marmortreppen betrat. Sie waren trotz dem strengen Winter mit südlichen

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