Lebensbilder II (German Edition)
ich Glanz und Elend kennen lernte, ich will wieder deine Tochter sein, die dich nie verlassen wird.« Auf dem Kirchhof zu Montmartre steht ein Stein mit einer bescheidenen Inschrift, welche dem Wanderer verkündet, daß Augustine im siebenundzwanzigsten Jahre ihres Alters zum ewigen Frieden einging.
Gar manche Frauen finden nicht das Herz, würdig des ihrigen, und gefühllos geht man an einer Ruhestätte, wie dieser, vorüber, ohne zu bedenken, wie leicht ihr Grabstein gegen die Lasten ihres Lebens wiegt.
Anhang
Das Abenteuer
Novelle (Aus dem Tagebuch eines Franzosen)
Ebensowenig, wie ich genau sagen kann, warum ich gerade Francois le Maire und meine Vaterstadt Paris heißt, welch' eine Harmonie zwischen Wort und Wesen gerade diese Namen notwendig machte, – ebensowenig kann ich die Welt und meine Schicksale als etwas vernünftig und notwendig Vorhandenes ansehen, und ich selber, vom erschütterndsten Elend heimgesucht, mit tausendfachen Wunden und Schmerzen bleibe mir ein närrisches, belachenswertes Rätsel. –
Ich hatte mein zwanzigstes Jahr kaum zurückgelegt, als ich meinen Vater verlor. Meine Mutter war so früh gestorben, daß ich ihre Züge nur aus einem Bilde im Kabinett meines Vaters meinem Gedächtnisse einprägen konnte.
Alle Welt war der Meinung, mein Vater müsse ein bedeutendes Vermögen hinterlassen haben, aber leider fand sich's, daß seine Schulden seine Güter bei weitem überstiegen, und mir, dem einzigen Sohn, blieb nichts als ein kleines mütterliches Erbteil, das kaum hinreichte, die mäßigsten Bedürfnisse des Lebens zu befriedigen.
Diese Umstände wirkten wie ein Zauber auf alle meine Freunde und Verwandten. Ich war nicht mehr imstande, an ihren Vergnügungen, Festen und Gelagen teilzunehmen; auch verscheuchten sie mich durch ein gewisses vornehmes Wesen, affektierten eine Fremdheit und Zerstreuung, wo sie mich sahen, daß sich mein Innerstes empörte. Einen doppelt so großen Stolz beschloß ich, der ganzen Menschheit entgegenzustellen, die, wie ich glaubte, zur Frevlerin an mir geworden war, und verscheuchte so vielleicht auch manchen, der es dennoch gut mit mir gemeint.
Mit einem Male stand ich ganz allein in der Welt, ohne Vertrauten, Freund, Ratgeber und Beschützer. Ich hatte keine Kunst oder Geschicklichkeit inne, wodurch ich mein Fortkommen in der menschlichen Gesellschaft begründen konnte. Einen Posten zu übernehmen, bedurfte ich der Empfehlung oder Fürsprache eines angesehenen Mannes, Ich kannte keinen, und einen Fremden um seine Protektion zu bitten, duldete mein Ehrgefühl nicht.
Da stand ich nun, ein zwanzigjähriger Jüngling, einsam, verlassen in der volkreichen, lebendigen Stadt Paris, und zum ersten Male fing mir an, vor dem Leben zu bangen, das ich bisher nur um des Genusses willen vorhanden glaubte. – Ich hatte meine Kindheit im eigentlichsten Sinne des Wortes verträumt mit schönen Hoffnungen für das Jünglingsalter. Denn wenn ich ehemals von den Palästen der Könige hörte, von der Pracht und Herrlichkeit ihrer Feste, von den paradiesischen Gegenden Italiens, von den Reichtümern und Schätzen des Orients, kurz, von allem Schönen, Merkwürdigen, Sehenswerten der Erde, so hielt ich das nur für eine Verheißung desjenigen, was mir im Jünglingsalter bevorstand, und ich bildete mir ein, der allgütige Gott könne den Menschen in keiner anderen Absicht auf eine Welt, voll von solchen Herrlichkeiten, gestellt haben, als um jedem einzelnen diesen ganzen, überschwenglichen Vollgenuß zu gewähren. Mit einer Art von Bedauern, mit einem mitleidigen Achselzucken betrachtete ich die Menschen, die nicht wie ich dachten. Ich hielt ihren Geist für viel niedriger als den meinen.
Nun war ich Jüngling geworden. – Ich hatte nur alle Mittel verloren, irgendeinen meiner Wünsche zu erfüllen; auch die Achtung der Leute hatte sich mit dem Gelde von mir abgewandt. – Mein Vater hatte mich oft vor einer solchen Lage gewarnt, aber er hielt mich für zu jung, um mir den Zustand seiner Finanzen zu eröffnen, und daher fehlte seinen Lehren die praktische Nutzanwendung.
Solange indessen mein mütterliches Erbteil noch standhielt, kann ich nicht eben sagen, daß ich mich den moralischen Sorgen und Betrachtungen sonderlich überließ. Ich führte meine Lebensart nach wie vor, bewohnte ein herrliches Quartier, kleidete mich aufs prächtigste, hielt mir Equipage und Bediente und konnte mich recht in der Seele freuen, wenn ich allen meinen Bekannten ein Rätsel blieb, die
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