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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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werden die Kleinigkeiten, die übrigens bisweilen wichtig genug sind, bald erlernen. Geistlosen Menschen ist das Äußere alles, die Talentvollen sind nicht besser daran; ich wette. Sie haben Ihrem Heinrich nie etwas verweigert.«
    »Wie konnte ich?«
    »Wie ich Sie liebe, kleine, unschuldvolle Seele! Vernehmen Sie: Je mehr wir jemand lieben, desto weniger darf er es merken. Ein Ehemann zumal darf niemals um unsere Leidenschaft wissen, je härter wir ihm begegnen, desto mehr liebt er uns.«
    »Wie, gnädigste Frau! muß man denn unwahr sein, alles berechnen, ein künstliches Betragen annehmen, und das für immer? Wer vermag dies?«
    »Liebste! Wenn Sie von der Liebe und ich von der Ehe rede, so werden wir uns bald ganz und gar nicht mehr verstehen. Sehen Sie in der Geschichte nach, wie große Männer, Herrscher sich von Weibern beherrschen ließen. Jedermann hat seine schwachen Seiten, bei denen man ihn fassen muß, und bei dem festen Willen ihn zu beherrschen, auf welchen wir alle Gedanken, Handlungen, unsere gefälligen Künste wie unsere Seelenkräfte richten, bringen wir diese Erdengötter, eben ihres Wankelmutes halber, leicht unter den Pantoffel.«
    »So ist also das ganze Leben ein Kampf.«
    »Man muß ihn immer drohen, und darin besteht unsere Allmacht; ein Mann muß nie uns verachten dürfen, indessen will ich Ihnen ein Mittel geben, Ihren Mann wieder an sich zu fesseln.«
    Sie erhob sich und führte ihre junge Schülerin in ihre innersten Gemächer.
    Vor einer Türe blieb sie stehen. «Sehen Sie,« sprach sie, »der Graf Carigliano betet mich an, aber dies Gemach wagt er nicht zu betreten, obschon er ein Held ist, der Batterien stürmt und Heere befehligt.«
    Augustine seufzte.
    Die Gräfin öffnete die Tür des Kabinetts, Augustinens Porträt, als Mädchen, welches auf der Ausstellung bekränzt worden, befand sich in demselben.
    Augustine schrie laut auf: «Ich wußte wohl, daß er sich meines Bildes entäußert, doch es hier zu finden, vermutete ich nicht!«
    »Ich begehrte es, um zu ergründen, wie weit ein Mann von Talent in seinen törichten Leidenschaften geht. Früher oder später hätten Sie es zurückerhalten. Ich träumte nicht, das Original neben der Kopie eines Tages bewundern zu können. Folgen Sie mir zum Frühstück; das Bild lasse ich in Ihren Wagen bringen, mit diesem Talisman löse ich die Leidenschaft, die ihn an mich fesselt; bringen Sie ihn damit nicht unter Ihren Pantoffel, so sind Sie kein Weib oder verdienen Ihr Geschick.«
    Augustlne küßte der Gräfin die Hand, die voll Zärtlichkeit und Rührung sie umarmte.
    Mitternacht war vorüber, als Herr von Sommervieux in das Portal seines Hotels einfuhr.
    »Wie kommt es, daß meine Frau noch Licht auf ihrem Zimmer hat?« fragte er die Kammerfrau.
    »Die gnädige Frau wartet auf den gnädigen Herrn.«
    Neugierig eilte Heinrich zu ihr.
    Wie erstarrt blieb er vor dem Bilde stehen. Augustine hatte sich gerade so gekleidet und sich in eben solch ein Licht ihrer Astrallampe gesetzt. – Sie wollte den Augenblick benutzen und flog ihrem Gatten an die Brust: dieser stieß sie von sich.
    »Wie kommst du zu dem Bilde?« fragte er mit Donnerstimme.
    »Die Gräfin Carigliano gab es mir,« versetzte sie furchtsam.
    »Du hast sie darum gebeten?«
    »Wußte ich, daß es bei ihr war?«
    «Ja! das sieht ihr ähnlich.« rief der Maler wütend – »aber ich räche mich! ich will sie malen, daß sie vor Scham vergeht. Als Messaline soll sie verstellt aus Claudius' Palast schleichen.«
    «Heinrich!« rief eine sterbende Stimme.
    »Es wird ihr Tod sein!«
    »Heinrich!«
    »Der kleine Obrist steckt ihr im Kopfe!«
    »Heinrich!«
    »Fort, Scheusal!« rief derMaler, und seine Stimme versagte. Er erlaubte sich Worte und Taten, die einem Wahnsinnigen geziemt hätten, wir übergehen diesen Auftritt.–––
    Am anderen Morgen fand Madame Guillaume ihre Tochter bleich, mit verweinten Augen und aufgelöstem Haar, die Trümmer eines zerrissenen Bildes, die auf dem Boden zerstreut lagen, betrachtend.
    »Armes Kind,« sprach sie, »ich weiß alles! Deine Kammerfrau hat mir alles gesagt, ich bin hier, um dir Schutz und Trost anzubieten. – Nun, liebes Kind, ich sagte es dir ja, daß dein Mann ins Tollhaus gehört; glaube nur. am zärtlichsten wird man immer von der Mutter geliebt.«
    »Ich folge dir, liebe Mutter,« sprach sie, »doch unter der Bedingung, daß sein Name nie über deine Lippen kommt! Ich will mich bemühen, alles zu vergessen, ihn, die ganze Zeit, wo

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