Lebensbilder II (German Edition)
schon in mir gelebt, die ich gewaltsam übertäubt und geflissentlich mir nicht eingestehen wollte. Sie tröstete mich, bot mir eine Summe Geldes an, um meine Umstände zu verbessern. Ich sträubte mich heftig dagegen, denn keine Hoffnung war, sie je erstatten zu können, ich fühlte in diesem Augenblick, daß mir nichts als der Tod übrig bliebe, doch ihre Teilnahme, ihr Trost fesselten mich ans Leben. – Meine Pächterin weinte mit mir, wir fühlten, daß wir uns liebten, ehe wir noch von Liebe gesprochen hatten. – Ich verließ sie, nachdem ich die Erlaubnis erhalten, am vierten Tage sie zu besuchen, erreichte meine Wohnung, warf mich weinend dort auf mein Bett und gab mich ganz der Verzweiflung und Trostlosigkeit hin, die ich schon lange zuvor hätte fühlen sollen. Endlich hatte ich mich satt geweint, mein Schmerz ermattete, und meine Geliebte im vollsten Liebreiz trat als Rettungsmittel vor meine Seele. Ich beschloß, ihr meine Dienste anzutragen, und hegte keinen Zweifel, daß sie darin willigen würde, mich mit sich nach ihrem Gute unweit Rochelles zu nehmen und auf demselben mich anzustellen. Als Landmann wollte ich mir ein mäßiges, friedliches Dasein sichern. Eine Hoffnung knüpfte sich an die andere, ich baute auf ihre Liebe; da ich ihr Herz besaß, hoffte ich, um so leichter ihre Hand zu erringen und im Besitz des schönsten, besten Weibes, deren Liebe ich Glück und Glückseligkeit verdankte, ein beneidenswertes Leben zu führen. – Ich sah meine Angebetete wieder, teilte ihr meinen Entschluß mit, sie schien gerührt, bewilligte mir alles, ich erhielt den ersten Kuß, und sie nannte mich schon vorläufig ihren kleinen, zärtlichen Gatten.
Von der Zeit an begab sich eine auffallende Veränderung mit meiner ganzen bisherigen Lage, und lange Zeit hindurch hielt ich die unerhörten Ereignisse, die sich mit mir zutrugen, für eine Kette der seltensten Glücksfälle.
Dahin gehört zu allererst, daß meine Gläubiger aus meinen Vorzimmern verschwanden. Ihr Ausbleiben war mir unbegreiflich, noch mehr aber die Achtung, mit der sie mich grüßten, wenn ich ihnen auf der Straße oder sonst begegnete. Ein Zusammentreffen, das immer peinlich ist. – Mein Erstaunen erreichte aber den Gipfel, als einst ein jüdischer Wechsler, der im schlimmsten Rufe der Wucherei stand, dem ich das meiste schuldig war, und von dessen Hartherzigkeit ich hinlängliche Proben an meinem Vater und mir selbst erhalten hatte, eines Tages demütig den Hut vor mir zog, mich fragte, wie ich mich befände, und ob ich etwa eine Kleinigkeit an Geld bedürfe, in diesem Falle möchte ich mich doch lieber an ihn als an einen andern wenden. Ich sei noch jung, meinte er, könne leicht in schlechte Hände geraten, und es sei doch auf alle Fälle sicherer und besser, einem geprüften und redlichen Manne sich anzuvertrauen.
Die Frechheit des Juden empörte mich. Ich hieß ihn seiner Wege gehen und fügte, wie ich glaube, noch einige Scheltworte und Schmähreden hinzu. Aber der Jude nistete sich an mich. »Gott!« rief er, »was ist die Welt doch voll Argwohn. Sie will nicht glauben an ein gutes Herz. Gott! ich habe doch besondere Verbindlichkeiten gegen Ihren seligen Herrn Vater, und er ist tot! Nu! einem Toten kann man kein Geld leihen. Aber Sie, Sie sind jung. Sie brauchen Geld. Ich habe keine Frau und keine Kinder, was soll ich machen mit allem Geld, wenn ich's nicht habe für meine Freunde? Nehmen Sie eine beliebige Summe, erstatten Sie sie mir, wann Sie können, wo nicht – nu – ich rechne nicht darauf.«
Dergleichen hatte ich bisher für ganz unerhört gehalten, und mehr aus Neugier als aus Verlangen nach seinen Reichtümern folgte ich dem Juden, der beteuerte, daß er noch viele Geschäfte zu verrichten habe, nach seiner Wohnung, wo er mir sogleich 6000 Franken aufzählte, mir noch mehr anbot, wenn ich's begehrte, denn diese Summe, versicherte er mir, habe er nur zwischen dem mindesten und meisten angesetzt, um die Sache schnell abzumachen.
»Aber mein Herr,« fragte ich, »seit wann verschenken Sie Ihr Geld?«
»Verschenken?« sprach er mit widerwärtiger Gutmütigkeit. »Heißen Sie verschenken, wenn ich bezahle, was ich schuldig bin Ihrem lieben, seligen Herrn Vater? Was staunen Sie, was wundern Sie sich? Wenn in heißen Julitagen ich durstig bin und es reicht mir jemand einen frischen Trunk Wasser, hat er mir da etwas geschenkt? – Nu! der Geldmangel macht schwüler als Sommerhitze, man schmachtet nach Geld mehr als nach Wasser.
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