Lebensbilder II (German Edition)
Nehmen Sie doch! Nehmen Sie doch! Denken Sie, diese 6000 Franken seien ein Glas Wasser.«
Ich fand dies Gleichnis passend, nahm das Geld und unterschrieb nun den Empfangsschein. Von Zinsen, von einem Termin zur Rückerstattung war keine Rede. »Wollen Sie vielleicht auch eine Wohltat tun,« fügte der Jude hinzu, »wollen Sie geben von dem vielen Geld einen Teil an die Armen, ich werde verteilen die Gabe an die Armen.« Ich bewilligte es. Er nahm 500 Franken davon und fügte hinzu: »Sie werden sagen, es gibt auch unter Juden barmherzige Leute.«
Voller Erstaunen war ich nach Hause geeilt. Meine erste Sorge war, mich von dem wirklichen Vorhandensein der geliehenen Summe zu überzeugen; sodann beschloß ich, gewisse Kostbarkeiten, deren ich mich früher aus Geldmangel entäußert hatte, wieder an mich zu bringen. Zu meinem Verdrusse aber waren gerade diejenigen Stücke, die mir das meiste galten, die meiner Mutter angehört oder mein Vater lebenslänglich getragen hatte, bereits verkauft. Am meisten schmerzte mich dabei der Verlust eines kostbaren Ringes.
Nur zwei Tage in jeder Woche ward mir gestattet, meine innig geliebte Pächterin zu sehen; wenn sonst die ungeduldige Sehnsucht mich nach ihrer Wohnung trieb, so wies mich die Wirtin des Hauses mit der Versicherung ab: »Madame ist nicht zu Hause,« oder »Madame hat Geschäfte mit ihrem Anwalt.« Diesmal brannte ich vor Verlangen, sie zu sprechen, wie noch nie zuvor, denn ich hielt sie für die geheime Ursache dieser seltsamen Ereignisse. Ihre Liebe und Delikatesse, bildete ich mir ein, wählte diese zärtliche Mystifikation, um mir eine Summe Geldes zum Geschenke aufzudringen. Nebenbei argwöhnte ich auch, daß sie nicht sei, wofür sie sich ausgab. Oft hatte sie ihr reizendes Patois im Gespräch vergessen und redete dann das vollkommenste, reinste Französisch der Residenz. Ihren Reden gab sie stets eine so geistreiche Wendung, ihre Empfindungen wußte sie mit solcher Geschicklichkeit und Innigkeit auszudrücken, daß die höchste Weltkenntnis zugleich mit einer ausnehmenden Belesenheit daraus hervorleuchteten. Ebenso auch konnten ihr zarter Gliederbau, ihre überaus sanfte und weiße Haut wohl schwerlich Zierden einer Landbewohnerin aus ferner Provinz sein. – Endlich schlug die Stunde, ich flog zu ihr, stattete zu ihren Füßen meinen Dank ab und beschwor sie, meiner Liebe zu enthüllen, wer die Person eigentlich sei, der sie gelte.
Sie antwortete mir hierauf: »Lieber Freund! Wie entzückt und rührt es mich, daß Sie in Ihrem Herzen mich zu derjenigen erkoren haben, der Sie gerne alles Gute danken möchten. Das Auge der Liebe, womit Sie mich betrachten, läßt Sie in mir ein besseres Geschöpf wahrnehmen, als ich wirklich bin. Oh, daß ich das Wesen wäre, das alle die Reize besäße, womit Ihre Schwärmerei es schmückt. So aber muß ich mich vor der Zukunft ängstigen, die Sie enttäuschen wird, und wo diejenige, die Ihnen alles, alles jetzt sein soll, aufhören wird, irgend etwas Ihnen zu gelten. Gewöhnen Sie sich, die Dinge im Leben anzusehen, wie sie wirklich sind, und hüten Sie sich vor übertriebener Vorliebe wie vor ungerechter Abneigung. – Warum sollte ein hartherziger Wucherer nicht einmal in seinem Leben Mitleid empfinden können, nicht einmal von dem gehässigen Geiz ablassen, da es doch ein Mensch ist und kein Gnome? Vielleicht hat er wirklich Verbindlichkeiten gegen Ihren seligen Vater, vielleicht ist er an dessen Verderben schuld oder hat ihn übermäßig betrogen, daß ihn jetzt das Gewissen drückt, und er glaubt, es dadurch zu erleichtern, daß er einen beliebigen Teil des unrechtmäßigen Eigentums seinem Sohn bietet, der dessen gerade bedarf. – Erklären Sie sich die Sache, wie Sie es können, von mir indessen denken Sie, daß, wenn mein Wille mit meinem Vermögen übereinstimmte, Sie dem ersten Prinzen Frankreichs es an Aufwand gleichzutun imstande sein sollten. Da indessen beides himmelweit getrennt bleibt, begnügen Sie sich, der Liebling einer bemittelten Witwe aus der Provinz zu bleiben.«
Was sollte ich denken, da mir diese Reden aus einem reizenden Munde mit bezaubernder Dreistigkeit ertönten? Ich liebte zu sehr, um irgendeines Mißtrauens fähig zu sein.
Aber es häuften sich immer mehr Rätsel auf Rätsel. Ich durfte nur einen Wunsch, ein Begehren nach irgendeiner Sache äußern, so ward sie mir. Ich fand sie, oder ein Verkäufer ließ sie mir zur Ansicht und holte sie nicht wieder, oder sie wurde mir geradezu von
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