Lebensbilder II (German Edition)
unbekannter Hand übersandt. Alle in Paris ohnedies schwierigen Nachforschungen blieben fruchtlos, und stets versicherte meine Geliebte, daß sie nicht imstande sei, so reiche Geschenke zu machen.
Einmal sogar erzählte ich, daß es mir nicht möglich gewesen sei, den Ring meines Vaters, den er zum Andenken meiner früh verstorbenen Mutter zeitlebens getragen halte, wieder zu erhalten. Meine rätselhafte Freundin hieß mich auf die Zukunft hoffen, der Zufall, der mir darin widerwärtig war, könne sich einmal günstig für mich erklären.
Ich verließ sie, um heimzugehen. Aus einer Querstraße kam ein junger Mensch, eilte hastig an mir vorüber, zieht sein Schnupftuch hervor und schleudert damit etwas zu meinen Füßen. Ich hebe es auf und rufe, folge dem jungen Menschen eine Strecke, aber er war mir bald aus den Augen. Mein Benehmen hatte die Vorübergehenden aufmerksam gemacht. Ich erzähle alles, zeige das gefundene Etui, behaupte, es könne ein Kleinod von Wert darin sein, öffne es – und erkenne den Ring meines Vaters. Ich mochte wohl eine seltsame Miene dazu machen. Vor Erstaunen dachte ich nicht weiter daran, denjenigen zurückzurufen, der diesen Verlust erlitten. Die Umstehenden mißverstanden meine Bestürzung, und Spottreden wurden laut. Man glaubte, ich würde nicht so redlich gewesen sein, wenn ich geahnt hätte, welch ein Kleinod das Etui bewahre. Darüber erzürne ich mich, fordere einige wohlgekleidete Umstehende auf, mich zur nächsten Zeitungsexpedition zu begleiten. Dort ließ ich meinen Fund öffentlich bekannt machen. Es meldete sich aber niemand zu dem Eigentum. Als ich meine Geliebte wiedersah und ihr zärtliche Vorwürfe über das Geheimnisvolle ihres Wesens und Benehmens machte, erwiderte sie still lächelnd: »Wie nur war es möglich, daß ich die Hand dabei im Spiele hatte, kannte ich den Ring? Haben Sie Leute bei mir gesehen, die gewandt genug sind, solche Dinge, die den Schein der Zauberei haben, auszuführen? Sie haben mir am selben Abend erst den Verlust geklagt, aber weder habe ich das Zimmer verlassen, noch kam jemand hier herein, um Rücksprache mit mir zu solch einem Blendwerke zu nehmen.«
Diese Reden konnten mich jetzt nicht mehr überführen, und ach! die seltenen Zufälle häuften sich immer mehr. Das Glück stand der Geliebten bei, und ich konnte mit allem Scharfsinn nichts enträtseln. Wohl tausendmal flehte ich sie an und beschwor sie, mir zu sagen, wer sie sei, und warum sie auf solche Weise mit mir spiele. – Aber mir ward keine Antwort. Meine dreisten Bitten erregten wohl öfter auch ihren Zorn, und sie ließ mich empfinden, mit wie leichter Mühe sie sich mir gänzlich entziehen könne.
Ich aber konnte nicht mehr ohne sie leben. – Am lebhaftesten empfand ich dies an denjenigen Tagen, wo ich sie nicht sah. Da war die Zeit mir eine Last, ich wußte sie nicht hinzubringen. Ich hatte mein ganzes früheres Leben wieder begonnen, schwärmte aus einem Vergnügen wieder in das andere hinein, betäubte mich in Zerstreuungen, gleich als haßte ich mich selbst, und mußte mich vor einem Augenblick der Ruhe fürchten, wo mein Bewußtsein mit mir reden würde. Oft auch verfolgte mich diese qualvolle Unruhe, diese fürchterliche Langeweile selbst bis in die Nähe meiner Geliebten: dann bildete ich mir ein, die Enthüllung ihrer Geheimnisse müsse mir den Frieden geben, und wagte doch nicht mehr, darum zu bitten. Ich mußte mich schon entschließen, alles zu glauben, wenigstens über nichts nachzudenken, denn sie zu verlieren, dies war ein Gedanke, den ich am allerwenigsten fassen mochte. –
Alle Pariserinnen haben gewisse Eigenschaften, die für Zauberei gehalten werden können; sie wissen durch jede Kleidung, die sie sich anlegen, ihre Reize zu verdoppeln und zu verdreifachen, ihre Worte und Bewegungen atmen eine Unschuld, Zierlichkeit und Reinheit, die ihrem Herzen fremd ist, und die höchste Kunst nur nachschafft. Vor allem war meine Geliebte in diesem Sinne eine gar gefährliche Zauberin, und ihre Absicht war, mich immer mehr durch ihre Reize zu überwältigen, in Sehnsucht zu ihr mich zu verderben. So oft ich sie in der Folge besuchte, war das Zimmer und sie selbst auf eine besondere Weise ausgestattet. Bald prangten an den Wänden Orangenbäume, Blumen und Gewächse, die nur in den heißesten Himmelsstrichen gedeihen: sie selbst empfing mich in der Tracht einer Zigeunerin; bald stellte das ganze Gemach ein türkisches Zelt dar, alles blitzte und flimmerte von Flittern
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