Lebensbilder II (German Edition)
Kammerfrau trug einen Brief heimlich zu Luigi Porta und brachte die Antwort zurück. Diese heimliche Korrespondenz dauerte fort. Ginevra gab sich selbst Zimmerarrest. Einen Tag lang blieb sie ohne Nahrung, weil es der Vater also wollte, aber schon am zweiten Tage ließ es sich die Mutter nicht nehmen, ihr Speise auf ihr Zimmer zu senden.
Der 30. August brach an, es war Ginevras zwanzigster Geburtstag. Sie begab sich an diesem Tage zu ihren Eltern in die Gemächer, und wieder trat die unheilvolle Stille ein, man wagte nicht mit einem lauten Worte, an die entsetzlich zerstörten Familienverhältnisse zu rühren.
Da trat Jean in den stillen Familienkreis und meldete die Ankunft zweier Notaren. – Sie wurden eingelassen. Bartholomeo faßte die Ehrenmänner scharf ins Auge. Ihr gerichtlicher Anstand bildete einen seltsamen Kontrast zu den leidenschaftlich aufgeregten Gemütern der Piombos. Ginevra suchte vergebens, ihre innere Unruhe zu beherrschen, ihre große Bewegung verriet, welch ein entscheidender Auftritt hier stattfinden sollte.
Der älteste Advokat begann. »Ohne Zweifel, mein Herr, sind Sie der Baron von Piombo?«
Bartholomeo neigte langsam und würdevoll sein Haupt, worauf der Notar ebenfalls mit einem leichten Kopfnicken den Gegengruß andeutete. Hierauf zog er eine Tabaksdose aus der Westentasche, nahm eine große Prise, die er aber in sehr kleinen Portionen, bald rechts, bald links, einschnupfte, indem er folgende wohlgeordnete Rede begann, mit Absätzen, welche, hier mit einem Gedankenstrich bezeichnet, sein oratorisches Schnupfen bedeuten sollen.
»Mein Herr – wir sind gekommen – ich – und mein Kollege – um das Gesetz in Anwendung zu bringen – und den Zwist zu schlichten – welcher – wie es scheint – sich angesponnen hat zwischen Ihnen und Ihrem Fräulein Tochter. – Anlangend dero Heirat mit meinem Klienten, dem Herrn Rittmeister außer Dienst, Luigi Porta. – Aber, – « begann er nach dieser wohlgeordneten Einleitung mit einer Geschäftsmiene den zweiten Satz, »aber – in solchen Fällen sieht sich das Gericht genötigt, auf eine mögliche Versöhnung zu dringen. Haben Sie die Gnade, wohl zu erwägen, das gnädige Fräulein – ich habe die Ehre (wandte er sich zu Ginevra) – das gnädige Fräulein sind heute zwanzig Jahr geworden, folglich haben Sie das Recht, gerichtlich um Dispensation von der elterlichen Einwilligung anzuhalten. – Allein – es ist wiederum gebräuchlich – in Familien, die ein gewisses Ansehen haben, die der vornehmen Welt angehören, die – wie soll ich sagen – es nicht laut werden lassen mögen – dergleichen Zwistigkeiten in der Stille und gütlich beizulegen – denn dergleichen Aktenstücke haben nichts Erfreuliches, wenn sie einmal da sind, und sind sie da, so bleiben sie leider als unverwüstliche Denkmale von Familienzwistigkeiten für immer. – Von dem Augenblick an, mein Herr – (fuhr er fort) – wo eine junge Dame Zuflucht zu den Gerichten nimmt, – offenbart sie den entschiedenen Vorsatz, trotz dem Vater und trotz der Mutter – ich habe doch die Ehre, – (wandte er sich zur Baronin, welche stumm die Hände rang) – ihrer Neigung zu gehorchen. Der elterliche Widerstand also ist fruchtlos – sodann – folglich – muß ein vernünftiger und gütiger Mann nach der letzten Vorstellung – die an ihn ergangen ist . . .«
Der Notar schwieg, über Bartholomeos grimme Blicke betroffen. Er sah seinen nicht minder geängsteten Kollegen an, gab ihm einen Wink, und beide traten zum Fenster.
»Mit dem Alten ist's nicht richtig!« versetzte der Kollege. »Du richtest nichts aus, in deiner Stelle würde ich ihm kurz den Bescheid vorlesen und um seine Erklärung bitten.«
Der Notar zog hierauf ein gedrucktes Papier aus der Busentasche, reichte es dem Greise hin und fragte ihn, welchen Bescheid er hierauf gebe.
»Gibt's also in Frankreich Gesetze wider den heiligen Willen des Vaters?« fragte der Korse wütend.
»Mein Herr,« begann mit seiner süßlichen Stimme der Notar.
»Die einem Greise die Freude seines Alters rauben?«
»Mein Herr! Ihre Tochter ist in väterlicher Gewalt, so lange –«
»Seinem Leben den Trost entreißen?«
»Mein Herr!«
»Die ihm das Herz brechen, ihn zur Grube fördern?«
»Erlauben Sie!«
Die Kälte des Notars und seine höfliche Stlmme machten den Korsen vollends rasend. Er stürzte nach dem Kamin, riß ein langes Messer dort vom Nagel, und wie ein Tiger sprang er auf seine Tochter zu.
Die Notare, die
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