Lebensbilder II (German Edition)
›Mein Mann darf nichts von allem wissen.‹
›Aha!‹ dachte ich, ›nun bist du in meinen Händen. Ehemals wäre ich vielleicht dumm genug gewesen, mich vom Mitleid zur schönen Frau verlocken zu lassen und ihrer zu schonen.‹
›Was will der Herr?‹ wandte sich der Graf zu mir.
Die Gräfin erblaßte. ›Dieser Herr,‹ sagte sie. ›ist einer meiner Lieferanten.‹
Ich lachte in der Stille. Der Graf wandte mir den Rücken. Ich zog den Wechsel halb aus der Brusttasche hervor. Sie bemerkte es, hastig eilte sie auf mich zu und zeigte mir einen Diamant. ›Nehmen Sie, und packen Sie sich fort,‹ flüsterte sie voller Angst und Zorn. »Von Herzen gern« sprach ich, und wir wechselten unsere Effekten. Ich grüßte sehr ehrerbietig und ging. Draußen sah ich den Edelstein mir an, er war seine zwölfhundert Franken wert. – Eine Opernsängerin gibt mir vielleicht 1500 dafür. – Ich sah im Hofe zwei prächtige Equipagen reinigen, viele Diener bürsteten ihre Livreen aus. Ich blieb stehen und tröstete mich damit, daß alles dieses nicht auf meine Kosten geschehe. Trockenschling könnte auch eine Equipage und reich galonierte Diener halten, allein er hält lieber das Geld, wofür man sich alles halten kann. – Da öffnete sich auch der Torweg, und der junge Mensch, von dem ich jenen Wechsel empfangen hatte, kam in seinem Tilbury angefahren. Er stieg aus.
»Mein Herr!« redete ich ihn an, »sagen Sie der gnädigen Frau, daß ich das Pfand, das sie mir gegeben, acht Tage lang zu ihrer Disposition liegen lasse, von der Zeit an es aber als mein Eigentum ansehen werde«
Der junge Mann lächelte. Sein Lächeln bedeutete so viel als: Sie hat also bezahlt, desto besser! und wir gingen unserer Wege.
Ich ging hierauf nach der Rue Mont-Martre. Ich mußte eine gar schmale Treppe erklimmen, um vom vierten nach dem fünften Stockwerk zu gelangen. Dafür betrat ich aber auch ein ganz allerliebstes Zimmerchen, wo alles von Reinheit glänzte, keine Spur von Staub auf den geschmackvoll angeordneten Möbeln, alles glänzte spiegelblank und lachte die liebliche Bewohnerin an, die mit kastanienbraunem Haar und hellblauen Augen wie ein Püppchen dasaß! Sie nähte emsig an einem kostbaren Spitzenbesatze, aber ihre geistreichen Züge verrieten, daß sie zu solcher Arbeit nicht geboren sei.
»Ich war schon einmal hier, Mademoiselle« redete ich sie an.
›Das Geld lag beim Portier.‹
›Sie gehen schon frühmorgens aus.‹
›Man muß sich wohl dem Willen seiner Kunden fügen,‹ entgegnete sie heiter, holte ihre fünf Goldstücke aus der Kommode, legte sie mir, ohne nach dem Schein zu fragen, auf den Tisch und ging ruhig wieder an die Arbeit.
›Madamoiselle verdienen wohl leicht hundert Franken bei Ihrem Geschäft?‹
›Ich wollte, es wäre so, aber ich habe manche Nacht zu Hilfe nehmen müssen.‹
›Ich meine, weil es Ihnen gleichgültig scheint, ob ein Wechsel von 100 Franken, auf Sie lautend, vorhanden ist oder nicht.‹
›Den Wechsel, mein Herr!‹
›Hier ist er. – Ich habe das Geld schon lange zu vielem anderen gesteckt und hätte, wie es scheint, mich samt dem Papiere gern entfernen können, wenn es mir in den Sinn gekommen wäre, Ihre Unerfahrenheit zu benutzen.‹
›Durfte ich Ihnen zutrauen, daß Sie mich betrügen würden?‹
›Nicht ich! aber einem anderen hätten Sie Gelegenheit gegeben, und Gelegenheit – Sie kennen das Sprichwort. – Nehmen Sie mir nicht übel, daß ich Sie darauf aufmerksam mache. Ein alter, erfahrener Mann tut wohl, jungen Damen Lehren zu geben.‹
›Sie haben recht, mein Herr! Ich war leichtsinnig, und es gibt allerdings schlechte Menschen, die sich kein Gewissen daraus machen, ein armes Mädchen um ihren schweren Erwerb zu betrügen. Je nun, es ist zum ersten Male in meinem Leben, daß ich einen Wechsel ausstelle, wird auch das letztemal sein. Es geschah aus Rücksicht für meine kürzlich verstorbene Mutter. Sie hinterließ diese kleine Schuld, nachdem sie von ihrem langwierigen Krankenbette erlöst war, und ich hielt mich für verpflichtet, sie zu entrichten, wie sie selbst es sicher getan haben würde, wäre sie am Leben geblieben. – Aber Ihre Warnung, mein Herr, ist dankenswert, und ich bin Ihnen für diese gute Lehre sehr verbunden.‹
›Ich stand wie bezaubert. Ich hätte dem lieben Kinde in diesem Augenblick ihr Geld samt dem Diamant nebst allem, was ich bei mir trug, gegeben. Ich stellte mir ihre Freude recht lebhaft vor, wenn sie mit einem Male alle diese
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