Lebensbilder II (German Edition)
Schätze ausgebreitet sähe und ich ihr sagte: Du schönes Kind, das alles ist dein; soviel verdienst du nicht mit jahrelanger Arbeit. Du sollst nun nicht mehr nachts aufsitzen, denn Schlaf tut deiner Jugend not. – Nachdem ich diese Freude in meinem Geiste satt genossen, dachte ich mir auch wieder: Je nun! sie kann durch dieses Geld weder glücklicher noch zufriedener werden, wenn sie edel gesinnt ist, – ja! wenn sie weiblichen Stolz besitzt, darf sie solch ein Geschenk nicht einmal annehmen. Ist sie aber weder stolz noch edel, so verdient sie ein so reiches Geschenk nicht, und ist sie beides, weshalb sollte ich ihre Tugend in Versuchung führen, es könnte ja sein, daß sie einer solchen Versuchung unterläge, und dann hätte ich ihr Verderbnls auf dem Gewissen. – Ferner ist sie leichtsinnig, gutmütig und schön, also ganz dazu geeignet, betrogen zu werden. Ein plötzlicher Glückswechsel könnte nur um so eher die Katastrophe herbeiführen, und sie findet einen Liebhaber, der sich aus diesem blitzenden Steinchen eine Tuchnadel machen und ihre paar Franken sich wohlschmecken läßt. Aber Trockenschling will nicht, daß man für seine Franken wohl und guter Dinge sei, er versagt sich alle Freuden der Welt und erlaubt sich nur geistige, nur Phantasiegenüsse, darum sollen andere nicht genießen, was er sich entzieht. Ich behielt also lieber Geld, Diamant und alles miteinander und ging meiner Wege.‹
›Nun!‹ begann nach einer kurzen Pause Trockenschling, ›was hältst du, mein Sohn, von dem Leben eines Geldwechslers? Dies ist die Ausbeute eines einzigen Tages! – Ich besuche kein Schauspielhaus, mein Leben ist mir Schauspiel genug. Tag für Tag sehe ich tiefe Herzenswunden, tödlichen Kummer, Liebesverhältnisse; Leiden, die sich nach dem tiefsten Grund der Seine sehnen; Freuden, die zum Schafott führen, und ich sage dir, meine Schauspieler spielen mit mehr Natur und Wahrheit als Talma und spielen obendrein für mich ganz allein, und es kostet nichts.‹«
»Nun, schöne Camilla!« unterbrach hier der Rechtsgelehrte seine Erzählung, »wie gefällt Ihnen mein Goldwechsler?«
»So abscheulich, wie mir nur irgend jemand mißfallen kann,« versetzte das junge Mädchen unwillig.
»Sie werden sich noch heut mit ihm versöhnen! – aber die Gräfin! –«
»Die Unglückliche nimmt meine ganze Teilnahme in Anspruch, die arme schöne Frau, warum hat sie keinen Freund, der sie warnt?«
»Sie werden sie noch besser kennen lernen und sie noch bedauernswerter finden,« versetzte der Rechtsgelehrte, »begnügen Sie sich vorläufig mit dem Gegensatz, den sie zum Wucherer bildet. Sie ist eben so bereit, alles Geld den augenblicklichen Vergnügungen zu opfern, wie Trockenschling, des Geldes halber, allen Vergnügungen entsagt.«
»Aber was sagen Sie von Fanny Malvaut?«
»Das liebe Kind bewegt mich einzig und allein, Ihre Erzählung weiter zu hören; wüßte ich ein Mädchen, so treu und anhänglich seiner toten Mutter, so ergeben seinem Schicksale, das sie zur mühseligen Arbeit verdammt, sie müßte meine Freundin sein, ich bäte meine Mutter, sie zu mir ins Haus zu nehmen, und niemals trennte ich mich von ihr.«
»So auch dachte ich, aber Ihre Geschichte ist aus, denn kurz und gut, Fanny Malvaut ist meine Frau.«
»Oh, das ist schön von Ihnen!« rief Camilla herzlich.
»Woher dieses Feuer?« fragte der Rechtsgelehrte lächelnd.
»Und Sie sagen so laut,« sprach die Vicomtesse, »daß Ihre Frau Gemahlin nur eine arme Grisette war? Es macht Ihrem Herzen allerdings Ehre, doch was brauchen wir es zu wissen, nicht jeder wird Sie darum nach Verdienst schätzen.«
»Ich weiß, weshalb ich's tat, und schäme mich vor der ganzen Welt deswegen nicht.«
Camilla gab dem Rechtsgelehrten einen heimlichen Wink, wie zufrieden sie mit der Äußerung dieser seiner Gesinnungen sei. Laut aber bat sie ihn, doch forzufahren in der schönen Erzählung (wie sie sie nunmehr nannte), die ihre ganze Teilnahme in Anspruch genommen.
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»Wenige Tage nach dieser Unterredung mit Trockenschling promovierte ich. Ich gewann dadurch in den Augen des Wucherers bedeutend an Ansehen. Er konsultierte mit mir stets über die verwickeltsten Angelegenheiten, ohne daß aber von Bezahlungen die Rede war, und obgleich er sich sonst nicht leicht etwas sagen ließ, nahm er meine Vorschläge mit einer Art von Ehrfurcht an. Übrigens stand er sich gut dabei, wie ich mir selbst gestehen muß.
Ich arbeitete anfänglich für einen Advokaten,
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