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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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vor ihm stand, erst alle Hoffnungen zu geben, um eine nach der andern wieder zu rauben. Er aber ward freudiger, je länger er die Steine betrachtete. ›Wieviel brauchen Sie?‹ fragte er den Vicomte.
    ›100000 Franken auf drei Jahre!‹
    Trockenschling langte eine Wage aus einer Schublade seines Schreibtisches hervor, legte den ganzen Schmuck darauf und hielt sie mit sicherer Hand im Gleichgewichte.
    Stumm und unbeweglich stand die schöne Gräfin, ihr Begleiter wagte kaum zu atmen.
    ›Gehören Ihnen die Diamanten?‹ fragte ich.
    ›Allerdings, mein Herr! Wem sonst?‹ erwiderte sie mit einer stolzen Hebung des Hauptes.
    ›Willst du den Handel machen?‹ fragte Trockenschling erzürnt.
    ›Sind Sie verheiratet?‹ fuhr ich fort.
    ›Ja!‹
    ›So kann ich die Akte nicht aufsetzen,‹ sprach ich entschlossen.
    Eine Träne trat in das Auge der schönen Gräfin, der junge Mensch zitterte.
    ›Warum?‹ fragte Trockenschling kalt.
    Ich sagte: ›Die Frau steht in der Gewalt des Mannes, die Akte ist null und nichtig, und Ihr könnt Euch nicht mit der ignorantia iuris entschuldigen, weil –‹
    Mit einer ungeduldigen Bewegung mich unterbrechend, rief Trockenschling: ›80000 Franken gebe ich.‹
    ›Aber!‹ – rief der junge Mensch.
    ›Ja oder nein!‹ – versetzte jener rasch.
    ›Teure, gnädige Frau!‹ sagte ich ihr leise ins Ohr, ›werfen Sie sich Ihrem Gemahl zu Füßen! Gestehen Sie ihm alles, es ist besser.‹
    Trockenschling warf mir einen wütenden Blick zu, der junge Mensch zitterte und bebte. Die Gräfin stand im stummen Schmerze unentschlossen.
    Der Vicomte rief endlich in Verzweiflung: ›Leb wohl, Emilie! Sei glücklich mit deinem Gatten und vergiß mich, bald bin ich von allen Sorgen befreit.‹
    ›Ich nehme Ihr Anerbieten an!‹ sprach die Gräfin hastig und entschlossen.
    Der Wechsler stellte eine Anweisung von 50000 Franken auf die Bank aus und reichte sie der Gräfin. ›30000 Franken,‹ sagte er zum Vicomte, ›gebe ich Ihnen in Papieren, die so gut sind wie Goldbarren.‹
    Boshaft lächelnd überreichte er demselben die eigenen Wechsel, welche sämtlich am Tage vorher mit Protest belegt waren und die er vermutlich sehr wohlfeil von Warbrust und Gigonnet erhandelt hatte.
    ›Verfluchter Betrüger!‹ rief der junge Mensch in einem Anfall von Zorn, daß ich ihn zu achten anfing.
    Trockenschling nahm eine geladene Pistole aus dem Schreibtisch.
    ›Die Wechsel sind protestiert, die Frau Gräfin hat diese Diamanten für sie verpfändet, ich nehme sie in Beschlag. Madame mag sie reklamieren. Für die Injurie gibt es eine Klage, und gegen Gewalt habe ich Waffen.‹ Kaltblütig spannte er den Hahn seiner Pistole.
    ›Entschuldigen Sie sich!‹ gebot die hohe Frau dem Marquis.
    Dieser stammelte gehorsam: ›Ich wollte Sie nicht beleidigen!‹
    ›Das weiß ich wohl,‹ sprach Trockenschling, ›Sie wollten bloß Ihre Wechsel nicht bezahlen!‹
    Die Gräfin empfahl sich, der Vicomte mußte ihr folgen, aber an der Tür wandte er sich noch einmal um: ›Hör', du goldfressendes Ungeheuer,‹ rief er Trockenschling zu, ›30000 Franken hast du mit deinen Zähnen und Krallen mir entrissen. Behalt sie, es ist gut. Sieh aber, in welcher Stimmung ich bin, und erlaube dir jetzt die mindeste Indiskretion, sei es um welchen Vorteil es sei, und ich schaffe dich hin, wohin dir alles Gold nichts nützt. – Verstehst du mich! und Sie ebenfalls, mein Herr Rechtsgelehrter,‹ wandte er sich drohend zu mir. ›Ihnen gilt dasselbe.‹ Er ging.
    ›Die Diamanten sind mein! die Diamanten sind mein!‹ jubelte Trockenschling und hüpfte vor Freuden, – ›welche Diamanten! schöne Diamanten! – O Warbrust und Gigonnet, wollt ihr den alten Trockenschling anführen? Die werden Augen machen, wenn ich's ihnen heut abend bei einer Partie Domino erzähle. Ja, mein Sohn! heut esse ich bei dir, und du wirst Wein und Speisen die Möglichkeit auftischen, denn ich bin sehr froh und muß mir was zugute tun! Solch ein Coup gelang mir seit langem nicht.‹
    ›Ich habe nichts mit dir zu schaffen!‹ versetzte ich mit einem inneren Schauder. – ›Mensch! wie magst du bei deiner Bosheit leben? – Brennt dir das Geld nicht auf der Seele? Kannst du nachts ruhig schlafen? Wie mag solch ein Mensch, wie der Vicomte, nur leben, oder wie mag's die Gräfin, und sie ist verheiratet, hat auch wohl Kinder? – Wie beklagenswert seid Ihr alle.‹
    ›Gehst du so mit deinem Wohltäter um?‹ sprach Trockenschling erzürnt. ›Du

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