Lebensbilder II (German Edition)
ausgehängt.
Die drei Damen traten in den Laden. Die Baronin stieß Emilien mit dem Ellenbogen an, um sie auf eine Person aufmerksam zu machen, welche, im Kontor sitzend, mit allem kaufmännischen Anstand ein Goldstück wechselte. Es war Maximilian Longeville. Er war in einer Unterredung mit einer Leinenhändlerin begriffen und hatte mehrere Proben von Zeugen in Händen, daß über seinen ehrenwerten Stand nicht der mindeste Zweifel mehr obwalten konnte.
Emilie erblaßte, und ein eisiger Schauder erstarrte ihr Inneres. – Aber, dank sei es der Geistesgegenwart, die man in vornehmer Gesellschaft erwirbt, sie besiegte ihre innere Bewegung vollkommen und antwortete der Baronin: »Ich weiß es wohl!« mit einem Tone und einer Ruhe, welche der ersten Schauspielerin Ehre gemacht halte.
Sie nahte sich dem Kontor, Longeville erhob das Haupt, steckte kaltblütig die Proben in die Tasche, grüßte das Fräulein mit einem zärtlichen Blicke, dann wandte er sich wieder zu der Leinenhändlerin, die mit unruhigen Blicken ihn verfolgte – »diese Rechnung muß berichtigt werden,« sprach er, »das Haus verlangt es einmal, aber,« flüsterte er der jungen Frau leise ins Ohr, »nehmen Sie dies hier, es gehört mir, meinem Hause darf ich nichts vergeben, aber dies geht nur uns beide an, nehmen Sie.« Er reichte ihr eine Banknote von 1000 Franken.
»Sie werden verzeihen,« wandte er sich wieder zu Emilien, »daß die Tyrannei der Geschäfte mich bis jetzt hinderte!«
»Mich dünkt, mein Herr!« versetzte Emilie aufgebracht, »daß mir das gleichviel gelten kann.«
»Wäre das Ihr Ernst?« fragte der Jüngling erschüttert.
Emilie wandte ihm unwillig den Rücken. Ihre Begleiterinnen hatten von allem dem nichts bemerkt, weil sie die Pelerine gerade kauften: dies war bald geschehen, und Emilie nötigte sie, so rasch wie möglich wieder einzusteigen.
Die Damen hatten in dem eleganten Wagen Platz genommen. Emilie hatte den Rücksitz inne. Noch einen Blick schenkte sie der verhaßten, finsteren Bude und sah im Hintergrunde derselben ihren Maximilian bleich und unbeweglich, mit ineinandergeschlungenen Armen stehen, wie jemand, der sein Lebensglück vor Augen scheitern sieht und kräftig über sein Mißgeschick sich erheben will. Jeder hoffte, das Herz des andern aufs grausamste zu verwunden, und nach wenigen Sekunden waren beide getrennt, als ob der nach China, jener nach Grönlands Eisfeldern verbannt worden sei, für immer.
Wie tief auch Emilie gekränkt und gedemütigt sich fühlte, bot sie doch alle Geisteskräfte auf, um vor ihren Begleiterinnen heiter zu erscheinen. Sie bemühte sich, mit ihnen ein Gespräch anzuknüpfen, machte sich über die Vorübergehenden lustig, spottete hier über einen Anzug, dort über eine Gestalt, aber zu ihrem Leidwesen wollte keine mit ihr lachen, und sie schloß damit, den Kaufmannsstand und alle Handelsleute aufs bitterste zu schmähen und zu verhöhnen.
Als sie zu Hause anlangte, fühlte sie sich sehr unwohl, mußte sich zu Bette legen, und ein heftiges Fieber stellte sich ein. Der Sorgfalt ihrer Eltern und Geschwister, der gewissenhaften Bemühungen der Ärzte dankte sie eine baldige Herstellung, aber kaum war sie genesen, als sie alle ihre alten Gewohnheiten und Fehler wieder annahm und keinen größeren Wunsch kannte, als die große Welt wieder zu besuchen.
Sie behauptete: wenn sie, wie ihr Vater, Einfluß auf die Kammern hätte, würde sie ein Gesetz bewirken, dem zufolge alle Kaufleute wie eine Herde Schafe ihr Abzeichen tragen müßten, besonders die Manufakturwaren-Händler. Nur der Adel dürfte sich alsdann in der Hoftracht Ludwigs XV. zeigen. Sie nannte es ein Unglück für die Monarchie, daß zwischen einem Pair von Frankreich und einem Handelsmann kein Unterschied sich fände. Bei jedem Anlaß, der sie darauf brachte, fügte sie noch tausend Sarkasmen hinzu, deren Groll man leicht erraten konnte.
Der erste Ball, den Emilie besuchte, fand im Hotel des neapolitanischen Gesandten statt. Als sie sich eben zu einer der glänzendsten Quadrillen stellte, gewahrte sie Longeville ganz in ihrer Nähe. Er gab ihrem Tänzer durch eine leise Neigung des Hauptes ein flüchtiges Zeichen.
»Kennen Sie den jungen Menschen?« fragte sie, nicht ohne Verachtung in den Mienen, ihren Chapeau.
»Mein Bruder!«
»Ihr Bruder?« rief Emilie.
»Den ich aufs zärtlichste liebe, denn es gibt wohl schwerlich einen besseren Menschen auf der Welt.«
»Wissen Sie meinen Namen?« fragte Emille
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