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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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hinreißenden Ausdruck, daß die ganze Gesellschaft in lauten Beifall ausbrach. Sie nahmen Abschied und errieten gegenseitig in der äußern Förmlichkeit, welche wahrhafteren Gefühle fühle sich darunter verbargen. Emilie gestand sich, daß der heutige Tag der glücklichste ihres Lebens war.
    Als sie mit ihrem Vater allein im Saale war, der alle Oheim schlief in einem Sessel, ergriff dieser ihre Hand und fragte sie, ob sie über das Vermögen, den Stand und die Abkunft des jungen Longeville einigen Aufschluß erlangt.
    »Teuerster Vater!« rief Emilie, »ich bin das glücklichste Geschöpf unter der Sonne, und keinem anderen werde ich je meine Hand reichen als diesem Longeville.«
    »Gut, Emilie! so weiß ich, was ich zu tun habe.«
    »Sollte es noch Hindernisse geben?« fragte sie mit einer gewissen Ängstlichkeit.
    »Mein Kind, niemand will diesen Longeville kennen; wenn er ein redlicher Mann ist und du ihn liebst, will ich ihn mit Freuden als meinen Sohn umarmen.«
    »Ein redlicher Mann?« erwiderte Emilie, »oh, darüber beruhigen Sie sich, mein Onkel steht für ihn ein, er hat ihn mir zugeführt. – Reden Sie doch, lieber Onkel! nicht wahr, er ist weder Freibeuter noch Kaper noch Seeräuber?«
    »Ich wußte wohl, daß es dahin kommen würde,« rief jener sich ermunternd, er blickte im Saale umher, aber seine Nichte war fortgeeilt.
    »Reden Sie, lieber Oheim!« sprach der Graf Fontaine, »wie konnten Sie uns alles, was Sie von dem jungen Mann wußten, verschweigen? Wer ist es, wo ist er her, ist er von Adel, was treibt er?«
    »Ich kenne ihn weder von Adam noch Eva her, sondern verließ mich nur auf den richtigen Takt meiner närrischen kleinen Nichte, der ich durch Mittel, die mir allein bekannt, ihren Adonis zuführte. Er ist ein außerordentlicher Pistolenschütze, ein tüchtiger Jäger, ein sehr gewandter Billardspieler und fischt und reitet wie der selige Ritter von St. Georg. Außerdem rechnet, schreibt, spielt, zeichnet, singt und tanzt er wie ein Meister! – Also was wollt Ihr anders noch? Wenn das kein Edelmann ist, so zeigt mir einen Bürgerlichen, der das alles kann. – Schafft mir jemand, der so anständig und vornehm zu leben weiß wie er. – Übrigens habe ich in meinem Taschenbuche hier noch eine Karte von ihm, er gab sie mir, weil er nicht anders glaubte, als ich wolle ihm den Hals brechen. Armer, unschuldiger Jüngling! das ist die heutige Jugend! – Hier ist die Karte.«
    Der Graf las: Rue du Sentier Nr. 5 und sann und sann. »Was Teufel!« rief er, »da wohnt ja Georg Brummer, Schilken & Co., es sind Handelsleute, die mit Musselin, Kalikos, Toilinett und was weiß ich alles Geschäfte machen. – Ach! jetzt komm ich drauf, Longeville, ein Deputierter, hat teil an dem Geschäft. Aber ich kenne diesen Longeville, sein Sohn ist dreißig Jahre alt und gleicht diesem nicht im geringsten. Er überläßt ihm ein Vermögen von 50000 Franken jährlicher Einkünfte, um ihn mit der Tochter eines Ministers zu vermählen, denn er möchte ebenso gern wie jeder andere Pair sein. – Von diesem Sohne hörte ich ihn niemals reden. – Auch hat er zwei Töchter, aber ich wüßte nicht, daß eine davon sich Klara nennt. – Aber Longeville kann jeder heißen. – Das Haus Georg Brummer, Schilken & Co. steht, wie mich dünkt, auf dem Punkt zu fallen, und zwar einer unglücklichen Spekulation halber mit Mexiko und Indien. – Je nun! ich werde mir schon Licht verschaffen.«
    »Du hältst da einen Monolog wie ein Schauspieler,« lachte der Kontre-Admiral, »und mich hältst du für eine Null, ein Unding. Ich wette darauf, daß er ein Edelmann ist, aber er hat kein Vermögen.«
    »Wenn es nur das wäre!« sprach Herr von Fontaine, den Kopf unwillig bald zur Rechten, bald zur Linken wendend. »Vor der Revolution war Longeville ein Prokurator, das »von«, das er angenommen, ist so wenig sein eigen wie sein halbes Vermögen jetzt.«
    »Ei was! was!« rief der Seemann, »glücklich sind diejenigen, deren Väter man aufs Schafott gebracht.«
    An einem schönen Novembertage, wo es den Parisern vergönnt ist, ihre Boulevards durch den ersten zarten Nachtfrost auf eine zierliche Weise gereinigt zu sehen, war Emilie mit ihrer Schwester und einer Anverwandten in einem neuen Wagen ausgefahren, um eine herrliche Pelerine in Augenschein zu nehmen, worüber eine ihrer Freundinnen in Lobeserhebungen sich nicht sattsam erschöpfen konnte. Sie war in einem reichen Modemagazin an der Ecke der Rue de la paix zum Verkauf

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