Lebensbilder II (German Edition)
stolz.
»Nein, meine Gnädige! Ich gestehe, es ist ein Verbrechen, einen Namen nicht zu behalten, der auf allen Lippen schwebt – in allen Herzen wohnt, sollte ich sagen. – Jedoch habe ich eine Entschuldigung, die mich sicher freisprechen wird. Ich komme aus Deutschland. Mein Gesandter hat mich als Begleiter seiner liebenswürdigen Gemahlin hierher gesandt. Sie finden Sie dort unten in jenem Winkel.«
»Diese traurige Gestalt?« lächelte Emllie.
»Doch ihre eigene Gestalt! mein Fräulein, und ich muß mit ihr tanzen, aber ich weiß mich auch dafür zu entschädigen.«
Emilie verneigte sich.
Der geschwätzige Gesandtschaftssekretär fuhr fort: »Es überraschte mich nicht wenig, meinen Bruder heut abend zu treffen. Als ich von Wien hier eintraf, hörte ich, daß der arme Junge zu Bett liege. Ich dachte, noch vor dem Ball ihn zu sehen. Aber die Diplomatie erlaubt uns selten, unserem Herzen zu genügen, und in der Tat, la donna della casa hat es mir nicht gestatten wollen, meinen Bruder zu besuchen.«
»Ihr Herr Bruder ist also kein Diplomat?«
»Der arme Junge!« seufzte der Sekretär, »er hat sich für mich geopfert. Er und meine Schwester Klara haben freiwillig dem Vermögen meines Vaters entsagt, um das ganze Majorat für mich zu erhalten. Mein Vater, im Vertrauen, strebt wie alle, welche für das Ministerium stimmen, nach der Pairie. – auch hat man ihm die Pairschaft versprochen. Mein Bruder zog einige Kapitale zusammen, ließ sich damit in Geschäfte ein, und es gelang ihm. Eine Spekulation mit Brasilien konnte ihn zum Millionär machen, und ich freue mich, daß ich im Stande war, durch meine diplomatischen Verbindungen den Erfolg derselben zu sichern. Ich habe ihm eine Depesche von der brasilischen Legation übersandt, die seine Stirne wohl hätte erheitern müssen, – aber sehen Sie nur, er ist nicht heiter.«
»Doch solche Falten zieht keine Kaufmannsstirne, in diesen traurigen Zügen steckt kein Geld.«
Der Diplomat betrachtete die zum Schein ruhigen Mienen seiner Tänzerin. »Wahrlich!« rief er, »Sie haben Menschenkenntnis: ich will es Ihnen nur gestehen, er ist verliebt.«
»Er ist verliebt!« sprach Emilie gedankenvoll.
»Meine Schwester Klara, für die er mehr als brüderlich sorgt, hat es mir geschrieben. Er liebte diesen Sommer ein junges Frauenzimmer von seltner Schönheit. Der arme Junge! Morgens um fünf Uhr stand er auf und begab sich an seine Geschäfte, um den Nachmittag bei seiner Schönen zuzubringen. Ich habe ihm ein arabisches Pferd geschenkt, und das hat er vor zärtlicher Ungeduld bei diesen Besuchen überjagt. – Vergeben Sie mir, mein Fräulein, daß ich mit solchem Geschwätze Sie langweile, aber ich komme aus Deutschland und habe meine Muttersprache mit dem lieben vaterländischen Akzent lange nicht reden hören. – Wir Franzosen sind geschwätzig, und ich habe oft mit einem Wandleuchter mich unterhalten, von dem ich wußte, daß er aus Paris kam. Wenn ich vielleicht für einen Diplomaten zu viel schwatzen sollte, so haben Sie schuld, mein Fräulein, denn Sie zeigten mir meinen Bruder, und wenn von ihm die Rede ist, will meine Zunge nicht wieder stille stehen. Wahrlich! der ganzen Welt möchte ich's verkünden, wie gut und edel er ist. Es handelte sich um nichts weniger, als um 20000 Franken Einkünfte, so viel ertragen die Güter von Longeville, und er verzichtete darauf zu meinem Besten.«
»Und Sie ließen Ihren Bruder Musselin und Kalikos verkaufen?« unterbrach ihn Emilie nicht ohne Bitterkeit.
Der Diplomat erschrak. »Mein Fräulein, woher wissen Sie das? – Ich habe es Ihnen nicht gesagt, denn wenn ich auch unschicklicherweise einen ganzen Wortschwall dahinströmen lasse, so bin ich doch Diplomat genug, um nur zu sagen, was ich sagen will, wie alle Gesandtschaftslehrlinge meiner Bekanntschaft.«
»Sie haben es mir gesagt.«
»Mein Fräulein, Sie erschrecken mich. Ich habe Ihnen nichts gesagt, aber,« erstaunt hielt er inne. Ein Argwohn ging in seiner Seele auf. Er blickte auf seinen Bruder, auf Emilie, dann schlug er seine Hände zusammen, blickte gen Himmel und rief:
»Oh, ich Dummkopf! – Sind Sie nicht die Dame von ausgezeichneter Schönheit – die schönste hier, wie überall? – Mein Bruder blickt Sie verstohlen an, er tanzt, trotz dem Fieber – lassen Sie ihn nicht langer so unglücklich und vergeblich seufzen. Ich könnte eifersüchtig auf sein Glück werden, aber das verdient er nicht. Nein! mein Herz nehme ich in beide Hände, reiche es
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