Lebensbilder II (German Edition)
dem alten Herzog, welcher 1793 das Schafott bestieg. Er war der letzte Abkömmling des letzten Zweiges.«
»Aber es gibt ja noch Seitenlinien.«
»Du hast deine Ansichten sehr geändert, Emilie.«
»Du ebenfalls, um so eher läßt sich eine Vereinigung hoffen.«
Die Zeit brach an, in welcher die Familie sich zur Heimkehr nach Paris rüstete. Am letzten Tage, den man noch in Bonneval zubrachte, erwartete Emilie mit Ungeduld ihren Geliebten, um jetzt auf eine Erklärung von seiner Seite zu dringen.
Zur Stunde, wo er sich einzufinden pflegte, ging sie in den Park in ein schattiges Bosquet, wo er sie öfter schon getroffen, und bedachte sich, auf welche Weise sie ihm sein Geheimnis abnötigen könne, ohne sich von ihrer Seite etwas zu vergeben.
Sie hatte sich, dies reiflich überlegend, auf eine Gartenbank niedergelassen, als ein Geräusch in den Zweigen ihr entdeckte, welcher zärtlichen Aufmerksamkeit sie zum Gegenstande diente.
Sie wandte sich nach der Gegend hin, wo sie das Rauschen der Blätter vernommen, und sprach in dem Tone der zartesten Mißbilligung:
»Wissen Sie wohl, daß es gar nicht recht ist, eine Dame auf solche Weise zu belauschen?«
»Zumal, wenn sie ganz und gar mit ihren Geheimnissen beschäftigt ist.«
»Warum soll ich meine Geheimnisse nicht haben, ebensogut wie Sie die Ihrigen?«
»So waren es denn Ihre Geheimnisse, woran Sie dachten. Ich Unglücklicher täuschte mich so süß mit dem Glauben, daß Sie meiner gedächten.«
»Ich dachte an Ihre Geheimnisse – die meinigen kenne ich zu gut, als daß sie mir zu denken geben.«
»Oh!« rief der Jüngling und drückte ihre Hand an seine Brust, »wären Ihre Geheimnisse doch die meinen und die meinen Ihre!«
Emllie sah ihn zärtlich an. Eine Frage schwebte auf ihren Lippen, und sie wagte sie nicht auszusprechen, aus Furcht, sie möchte nicht nach Wunsch beantwortet werden, oder sie könne damit den Geliebten sogar beleidigen. Zögernd hob sie an: »Mein Herr, wollen Sie mir eine Frage gestatten? und wollen Sie bedenken, daß die seltsame Lage, in der ich mich befinde, und das Verhältnis zu meinen Angehörigen mich dazu berechtigen?«
Es entstand eine Pause, und Emilie vermochte es nicht, den staunenden Blick ihres Anbeters zu ertragen, endlich gewann sie so viel über sich, daß sie mit schüchternen Lippen folgende Worte sprach: »Sind Sie von Adel?« Sie bereute aber diese Worte, da sie kaum ausgesprochen waren.
»Ich will Ihnen darauf antworten,« versetzte derJüngling, »wenn ich nur ein einziges Bedenken zuvor beseitigt. Warum und in welcher Absicht forschen Sie nach meinem Adel?«
»Wie?« rief Emilie, »sollte ich mich in Ihnen geirrt haben?«
»Emilie! mißverstehen Sie mich nicht! – Ich liebe Sie mit ganzer Seele.«
»Sie lieben mich!« rief sie erfreut.
»Nun, und bedurfte es Ihrer Frage?
»Mein Herz gab sie mir nicht ein! Doch habe ich Eltern. Ach, mein Herr! Sie denken vielleicht, daß ich gar sehr auf Adel halte.«
»Noch habe ich keinen Titel meiner Gattin zu bieten. Doch vielleicht – – doch ich weiß, was einer Gemahlin von hoher Geburt, an Luxus und Reichtum gewöhnt, zukommt, ich weiß, was ich ihr schuldig bin. – In diesem Augenblicke bin ich nicht imstande, Ihre Frage genügend zu beantworten, denn – –. Ich fürchte dennoch, daß Sie mir zürnen werden.«
»Meine Schwestern haben mich verraten, daß ich einst willens war, nur mit dem Sohn eines Pairs von Frankreich mich zu vermählen,« dachte Emilie, »allein diese Schwatzhaftigkeit weiß ich unschädlich zu machen.«
»Mein Herr!« sprach sie zu ihm, »es gab eine Zeit, wo ich vom Adel gar hohe Vorstellungen hatte, jetzt sind meine Ansichten darüber gar sehr verwandelt.«
»Reden Sie im Ernst?« rief jener erfreut. »Lassen Sie mich es glauben. – Noch diesen Winter, vielleicht schon in zwei Monaten vermag ich Ihnen ein Los zu bieten, wie es Ihrer würdig ist. Dies, schönste Emilie, hängt aber leider noch von günstigen Umständen ab, jedoch zweifle ich nicht mehr am Gelingen derselben, an meinem Glücke, oh! daß ich an unserm Glücke sagen dürfte.«
»Sagen Sie es immerhin!« versetzte Emilie.
Unter solchen zärtlichen Zwiegesprächen nahten sie mit langsamen Schritten dem Schlosse. So liebenswürdig und geistreich wie heute war Emilien der Geliebte noch nie erschienen. Sie war stolz darauf, sein Herz zu besitzen, und bildete sich ein, alle Weiber dürften sie darum beneiden.
Beide sangen ein italienisches Duett mit einem so
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