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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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lächelnd reichte sie ihm die Hand, die er heftig an seine Lippen drückte. In diesem Augenblick erschien Madame Crochard, die aber nichts bemerken wollte, als ob sie irgendeine Nebenrolle in der Oper spiele.
    Es gibt in Paris Häuser, die eigens erbaut erscheinen, damit junge Eheleute darin ihre Flitterwochen verleben. Frisch und bunt, wie ihr Leben, sind die Tapeten und Gemälde, alle Zieraten der Gemächer so neu und glänzend wie ihre Liebe. Alles stimmt darin zu jugendlichen Wünschen, weckt und erfüllt freudige Hoffnungen und Sehnsucht.
    Mitten in der Rue de Helder stand ein Haus von weißen Quadersteinen. Die Säulen des Portals waren noch unbeschmutzt, und die Mauern glänzten noch von bleiweißer Farbe, mit denen sie übertüncht waren. Im zweiten Stockwerke befand sich eine Wohnung, vom Architekten mit besonderer Vorliebe ausgeschmückt, als hätte er eine Vorahnung von der Bestimmung derselben gehabt.
    Ein niedliches Vorzimmer, bis zur Brüstung mit Marmor bekleidet, führte in einen Saal und ein Speisezimmer. Vom Saal aus gelangte man in ein herrliches Schlafgemach, und neben diesem war eine Badestube. Über die Kamine waren große Spiegel angebracht, mit reicher Einfassung. Alle Türen waren mit Arabesken geschmückt.
    Seit ungefähr vier Wochen bewohnte eine schöne, junge Frau diese Zimmer. Ein kunstreicher Tapezierer hatte ihr das Ameublement besorgt, und die Beschreibung des einen Gemaches wird genügend sein zu beweisen, mit welchem Geschmacke er seinen Pflichten sich entledigt. Eine Tapete von silbergrauem Zeuge mit einer lebhaften grünen Borte schmückte das Schlafzimmer. Die Möbel, mit hellgrünem Kaschmir beschlagen, offenbarten die leichten und anmutigen Formen der letzten Mode. Eine Kommode von einheimischem Holze, mit braunen Leisten belegt, verschloß die Geheimnisse der Toilette, ein gleicher Sekretär bewahrte das wohlriechende Papier zu süßen Briefchen.
    Das antike Bett diente mit seiner Draperie von Musselin, seiner Weiche und seinen verführerischen Faltenwürfen, Lüsternheit zu wecken. Die grauseidenen Vorhänge mit grünen Fransen waren so gefaltet, daß sie eine angenehme Dämmerung verbreiteten. Eine bronzene Wanduhr stellte Amor vor, der die Psyche bekränzte. Ein Teppich mit gotischem Muster auf rotem Grunde erhob alle Zieraten dieses heimlichen und wohlbehaglichen Aufenthalts.
    Im Angesicht der glänzenden Psyche saß die junge, schöne Frau an ihrer Toilette, ungeduldig, wie es schien, über die langwierigen Künste ihres Friseurs.
    »Wird mein Kopfputz heut noch fertig?« fragte sie.
    »Aber, Madame, haben Sie langes und starkes Haar, ich weiß damit nicht zu bleiben.« antwortete der berühmte Haarkräusler Plaister.
    Die schöne Dame lächelte. Die absichtslose Schmeichelei des Künstlers rief ihr alle eifrigen Lobeserhebungen ihres Freundes ins Gedächtnis znrück.
    Endlich hatte Herr Plaister das Werk vollbracht, und eine Kammerfrau trat ein, um sich mit Madame über die Toilette zu beraten. Die Frage war, was dem Herrn am meisten gefallen würde. Es war kalt, (denn im November des Jahres 1816 fand gegenwärtiger Auftritt statt) und ein Kleid von grüner Seide mit kostbarem Besatze ward für den heutigen Tag bestimmt.
    Als die Toilette geendet, eilte die schöne Dame zum Salon, öffnete ein Fenster, welches auf den Balkon hinausging, schlang die Arme ineinander und stützte sich auf das Geländer von Bronze. In dieser zierlichen Stellung kümmerte sie sich nicht um die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden, die unaufhörlich ihre Köpfe zu ihr wandten, sondern blickte mit unausgesetzter Spannung nach der kleinen Strecke des Boulevards, die von ihrem Fenster aus sichtbar war. – Diese enge Aussicht, welche sich mit der Öffnung in einem Theatervorhang vergleichen läßt, durch welche die Schauspieler zu blicken pflegen, gewährte ihr den Anblick vieler Wagen und Fußgänger, die aber mit einer Schnelligkeit erschienen und verschwanden wie die Gestalten eines Schattenspiels.
    Die junge Frau wußte nicht, ob der Erwartete zu Wagen oder zu Fuße ankommen würde, und suchte ihn bald in dem Gedränge, bald in den Wagen. Schon eine Viertelstunde hatte sie gewartet und fing an, die Geduld zu verlieren, als endlich der Kopf eines braunen Pferdes sich zeigte, welches nach der Rue de Helder einbog. Sie erhob sich auf den Zehen und erkannte auch bald das Tilbury an der weißen und grünen Farbe.
    »Er ist's! er ist's!« rief sie hocherfreut, »dort lenkt er in die Straße

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