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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Zweige und die gaukelnden Schmetterlinge. In dieser Jahreszeit gleicht die Natur einer sehnsüchtigen Braut im Hochzeitsfeierkleide, und selbst Unempfindliche müssen ihre Reize und Liebe anerkennen.
    Karoline hatte zum ersten Male im Jahre ihre finstere Straße verlassen. Hier im malerischen, sonnigen Tale von Montmorency, den unermeßlichen blauen Himmel vor sich und neben sich Augen, die nicht minder liebreich lachten als die Welt ringsum: mußte sie sich hier nicht in aller Stille glücklich fühlen?
    Der Fremde fand Karolinen mehr heiter als geistreich, mehr herzlich als unterrichtet; wenn ihr Lächeln eine Schalkheit verriet, so dienten ihre Worte, ein wahrhaftes Gefühl an den Tag zu legen. Den schlauen Fragen ihres Gefährten antwortete sie mit einer herzlichen Aufrichtigkeit, und das Gesicht des schwarzen Herrn erheiterte und belebte sich bei jedem ihrer Worte. Die Trauer schwand allmählich aus seinen Zügen, die ihre Jugend und Anmut wieder zu erlangen schienen. Karoline war stolz und glücklich darüber, denn sie bemerkte es nicht sobald, als sie sich auch für den Grund dieser Verwandlung hielt.
    Sie erriet bald, daß ihr Begleiter Liebe, Vertrauen, Freude und Glück lange entbehrt haben mochte. Sie plauderte unaufhörlich weiter, bis endlich ein glücklicher Scherz die letzte Runzel aus der Stirne des Unbekannten glättete, die in voller Jugendlichkeit wieder strahlte: es schien, als ob er mit einem Male den Sorgen, dem Verdrusse und dem Kummer ihren Abschied gab, um sich ganz der Heiterkeit und Lebensfreude zu überlassen.
    Beide waren in ihrem Gespräche so vertraut geworden, daß, als der Wagen vor den ersten Häusern des weitläufigen Dorfes St. Leu hielt, Karoline den Unbekannten schlechthin Herr Eugen nannte, und dieser liebe Karoline sagte. Da erwachte die Mutter.
    »Sicher hat sie alles gehört,« flüsterte Eugen seiner Dame ins Ohr.
    Karolinens unbefangenes und reizendes Lächeln aber zerstörte allen Unmut, den ein Verdacht im Herzen des Fremden zu erregen anfing.
    Madame Crochard merkte alles und wunderte sich über nichts, sie folgte dem jungen Paare in den Park von Saint-Leu, wo sie die lachenden Wiesen, die balsamischen Blumenbeete und alle Schönheiten betrachtete, womit die Königin Hortense diesen Garten ausgestattet.
    »O Gott! wie schön ist's hier!« rief Karoline, als sie die Bergspitze zu Anfang des Waldes von Montmorency erreicht hatte, und zu ihren Füßen die unermeßliche Ebene sich ausbreitete mit den lieblichen Hügeln, den reizend gelegenen Dörfern mit ihren Turmspitzen, mit Wiesen und Auen und den fernen Bergen, deren Umrisse in blauer Luft sich verloren.
    Unsere Reisenden lustwandelten am Ufer eines künstlichen Flusses nach dem Schweizertal, nach der Hütte, in welcher Napoleon mit Hortense oft geweilt hatte.
    Mit scheuer Ehrfurcht ließ Karoline sich auf eine bemooste hölzerne Bank nieder auf der Könige, Kaiser und Prinzessinnen geruht hatten. Madame Crochard hatte Lust, eine Brücke näher zu besehen, die zwei Felsen miteinander verband. Sie ließ ihre Tochter unter dem Schutze des Herrn Eugen, dem sie versicherte, daß sie ihn nicht aus den Augen lassen würde.
    »Wie, teure Karoline,« fragte Eugen, »haben Sie nie nach dem Glanze und den Freuden des Reichtums begehrt? –«
    »Ich würde unwahr sein, wenn ich sagen wollte, daß ich niemals das Glück des Reichtums begehrt. – Ach, ich denke nur gar zu oft, zumal wenn ich schlafen gehe, wie herrlich es wäre, wenn meine gute Mutter nicht nötig hätte, bei schlechtem Wetter auszugehen, um unsere täglichen Bedürfnisse einzukaufen. – In ihrem Alter! Dann wünschte ich auch, daß eine Wirtschafterin ihr morgens ihren Kaffee mit Hutzucker vors Bett brächte. Sie liest gern Romane, die arme Frau! Es wäre doch besser, sie gebrauchte ihre Augen zu dieser Lieblingsbeschäftigung, als daß sie von früh bis spät mit dem Tüllklöppeln ihr Gesicht verdirbt. Auch sollte sie dann hin und wieder ein Glas Wein trinken, mit einem Worte, meine Mutter sähe ich gerne glücklich, denn sie ist so gut.«
    »Sie hat Ihnen also viel Beweise ihrer Güte gegeben?«
    »Ach, freilich!« antwortete Karoline bewegt.
    Madame Crochard erschien jetzt oben auf der Brücke und drohte Karolinen mit dem Finger.
    »Wohl hat sie mir Beweise davon gegeben,« fuhr diese fort, »wie hat sie von meiner Kindheit an nicht für mich gesorgt! Ihr letztes Silberzeug verkaufte sie, um mich bei einer Stickerin in die Lehre zu geben. Und mein armer

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