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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Wohltäters genannt.«
    »Aber, liebe Mutter! woher wußtest du seinen Namen?«
    »Ich– « aber die Alte hatte nicht Zeit mehr, die Antwort zu vollenden, der Todeskampf trat ein, und bald lag sie entseelt in den Armen ihrer Tochter.
    Um dem Leser zu offenbaren, welche Bewandtnis es mit diesem Namen hatte, sind wir genötigt, in eine frühere Zeit und auf frühere Begebenheiten zurückzugehen.
     
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    Am 30. März des Jahres 1806, gegen drei Uhr morgens, kam ein Jüngling von etwa siebenundzwanzig Jahren aus dem Hotel des Erz-Reichskanzlers die große Treppe herunter und sah sich im Hofe nach einem Wagen um. Weil er in kurzen Hosen und seidenen Strümpfen, schwarzem Frack und Weste war und eine grimmige Kälte herrschte, stieß er einen lauten Seufzer aus, obschon ihm der frohe Mut nicht zu fehlen schien, der den Franzosen gegen Ungemach zu waffnen pflegt.
    Vergebens spähte er indessen nach einem Fuhrwerk auf dem Hofe, ein einziges hielt nur, und das war die Equipage des Justizministers.
    Mit einem Male klopfte jemand dem Jüngling freundlich auf die Schulter; dieser wandte sich und stand vor dem Justizminister, dem ein Lakai den Schlag der Staatskarosse öffnete. Der Justizminister erriet die Verlegenheit des Jünglings und versetzte aufgeräumt:
    »Bei Nacht sind alle Katzen grau. Ein Minister vergibt sich nichts, wenn er nachts mit einem Advokaten im Wagen sitzt, zumal wenn dieser Advokat der Neffe seines alten Kollegen ist, eines Mitglieds jenes großen Staatsrates, von welchem Frankreich den Code Napoleon empfing.«
    Auf ein Zeichen des Justizministers hüpfte der junge Mann in den Wagen, und schwerfällig folgte das Oberhaupt der Gerechtigkeit ihm nach.
    Ehe der Schlag vom Lakaien wieder geschlossen wurde, erwartete dieser die Befehle seines Herrn.
    »Wo wohnen Sie?« fragte der Minister den Advokaten.
    »Auf dem Quai des Augustins, gnädigster Herr.«
    »Quai des Augustins, Joseph,« rief die Exzellenz.
    Der Schlag flog zu, und der junge Advokat war mit einem Male dem Minister gegenüber, an den er während der ganzen Soirée nicht ein einziges Wort zu richten sich getraut hatte.
    »Nun, Herr von Grandville, Sie sind auf gutem Wege!«
    »Allerdings, solange ich neben Ew. Exzellenz zu sitzen die Ehre habe.«
    «Nein, ich spaße nicht. Sie haben einige schwierige Prozesse mit großer Geschicklichkeit geführt und haben dem Erz-Kanzler heut besonders gefallen. Sie werden sich ohne Zweifel eine Gerichtsstelle wünschen; es fehlen uns tüchtige Mitglieder; der Neffe eines Mannes, dem Cambacérès und ich so befreundet waren, soll aus Mangel an Protektionen nicht Advokat bleiben. Ihr Oheim hat mir in sehr stürmischen Zeiten beigestanden, junger Mann, und das vergißt sich nicht so leicht!«
    Der Minister schwieg eine Weile, dann fuhr er fort: »Binnen drei Monaten sind drei Stellen erledigt, suchen Sie sich diejenige aus, die Ihnen am besten zusagt, besuchen Sie mich alsdann; bis dahin aber arbeiten Sie und finden Sie sich nicht in meinen Vorzimmern ein. Ich selbst bin jetzt mit Arbeiten überhäuft, und Ihre Mitbewerber, wenn sie erst wissen, daß Sie gleiche Zwecke mit ihnen haben, dürften Ihnen bei Ihren Vorgesetzten schaden. Wenn ich heute abends kein Wort mit Ihnen gesprochen, so geschah es, um Sie vor den Gefahren meiner Gunst sicherzustellen.«
    Der Minister hatte kaum geendet, als der Wagen auf dem Quai des Augustins stille hielt. Der Jüngling dankte seinem großmütigen Beschützer in einer ziemlich lebhaften Herzensergießung und stand nun vor der Tür eines der schönsten Häuser des Quai des Augustins, an welches er mit lauten Schlägen pochte, denn der Nordwind wehte unbarmherzig durch seine leichten Kleider.
    Ein alter Pförtner öffnete endlich und rief mit heiserer Stimme: »Herr Grandville! Herr Grandville! hier ist ein Brief für Sie.«
    Der Jüngling empfing ihn, und trotz der Kälte prüfte er beim fahlen Schein einer Laterne, deren Docht zu erlöschen drohte, die Handschrift.
    »Von meinem Vater,« sprach er bei sich, erhielt das Wachslicht, welches der greise Pförtner mit zitternder Hand endlich angezündet hatte, und begab sich hastig in seine Gemächer, um sich sogleich von den Worten seines Vaters zu unterrichten. Sie lauteten:
    »Mein Sohn! Eile, was Du kannst, hierher, und wenn Du bald hier bist, ist Dein Glück gemacht. Angelika Bontemps hat ihre Schwester verloren, jetzt empfängt sie von ihrer Mutter 20 000 Franken Einkünfte an Ländereien, den Brautschatz ungerechnet.

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