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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Kapelle.
    »Du bist eine gute Wirtin,« sagte der junge Mann lachend, »du machst dir die Zukunft recht bequem.«
    Sie erwiderte hierauf sehr verständig, daß das Viertel du Marais in der Nähe des kaiserlichen Palastes liege, und alle Magisiratspersonen, mit denen ihr Mann zu tun habe, eben in der Gegend wohnten, und der schöne Garten übrigens, der mit dem Quartier verbunden sei, würde einst ihren Kindern, wenn Gott ihr welche gebe, sehr ersprießlich und nützlich sein. Grandville hätte freilich gern in einem Hotel der Chaussee d'Antin gewohnt, wo alles sich lebt und sich regt, die Moden in ihrer ersten Entstehung sich zeigen, wo es von eleganten Spaziergängern wimmelt, wo alle Schauspielhäuser und Vergnügungsorte in der Nähe sind: allein er mußte den Bitten seiner jungen Frau nachgeben, welche dies als erste Gunst von ihm erbat, und ihr zuliebe vergrub er sich im Marais.
    Weil seine Funktionen gleich beim Antritte unermüdliche Anstrengung und Fleiß erforderten und ihm noch eben so neu wie schwierig waren, sorgte er vorläufig nur für die Ausstattung seines Studierzimmers und die Einrichtung seiner Bibliothek. Seiner Gattin überließ er dagegen die Ausschmückung und Ameublierung des ganzen Hauses. Es freute ihn, sie gleich in so angenehme Geschäfte verwickeln zu können, weil er sie doch öfter verlassen mußte, als es einem jungen Ehemanne in den Flitterwochen ziemte.
    Nach vierzehn Tagen war er indessen mit seinen ersten Arbeiten aufs reine gekommen, nahm seine Frau bei der Hand, führte sie aus seinem Studierzimmer, um ihre Anordnungen in Augenschein zu nehmen, wozu er bisher noch nicht Zeit gehabt.
    Es gibt ein Sprichwort: An der Türschwelle läßt sich erkennen, welch' eine Frau im Hause waltet, und die Zimmer geben von ihrem Geist noch viel bessere Auskunft.
    Wie groß war daher Grandvilles Erstaunen, als er die Gemächer durchschritt. Sollte er die Schuld der Geschmacklosigkeit der Arbeiter oder ihrer eigenen Unerfahrenheit zuschreiben, oder sollte er gar annehmen, daß seine Gattin nicht den mindesten Sinn für das Gefällige und Anmutige habe?
    Nichts fand er in den Gemächern, was irgend Geschmack verriet, eines paßte nicht zum andern, alles erinnerte ihn an die Klause von Bayeux, und statt der gehofften freudigen Überraschung nach langer Arbeit in seinem Kabinette fühlte er in den unangenehmen Zimmern seine Brust beengt und schämte sich im voraus, wenn er dachte, daß irgend jemand ihn besuchen würde.
    Er bemühte sich indes, immer noch seine Frau zu entschuldigen. Noch einmal kehrte er um, durcheilte noch einmal die Gemächer. Die braune Farbe des Wohnzimmers, welche seine Gattin ausdrücklich beim Maler bestellt, war zu dunkel, die grünsamtnen Stühle paßten übel zu den Wänden.
    In einem andern Zimmer hing eine antike Lampe, in den übrigen war nirgends ein Zierat angebracht. Die Tapeten stellten bemooste Quadersteine vor und hatten eine Einfassung von weißem und schwarzem Marmor. Mitten auf einer Wand war ein Thermometer befestigt, um die Leere des Zimmers noch deutlicher merken zu lassen.
    »Aber um Gottes willen, beste Angelika! was hast du denn gemacht?« fragte der Rechtsgelehrte.
    Sie aber schien so zufrieden mit den roten Frangen der Perkalvorhänge, mit dem Thermometer, mit der verschleierten Figur des Ofens, daß sie ihren Mann nicht verstand, weil er dies alles mißbilligte.
    Endlich maß Grandville sich selbst alle Schuld bei, er hatte sich der jungen Frau annehmen sollen, die erst vor kurzem die Provinz verlassen und mit den Gebräuchen einer Hauptstadt nicht bekannt sein konnte.
    Andere Versuche jedoch, den Geschmack seiner Gattin zu bilden, fielen noch schlimmer aus. Beim Anblick einer Karyatide stieß Madame Grandville einen Schrei aus. Mit Unwillen verwarf sie einen Kandelaber, eine Lampe oder ein anderes Möbel, weil sie einen ägyptischen Torso darauf gewahrte. Unglücklicherweise stand Davids Schule damals auf der Mittagshöhe ihres Ruhms. Ganz Frankreich rühmte die Korrektheit seiner Zeichnung, und der antiken Formen halber nannte man seine Kompositionen eine farbige Bildhauerkunst. Aber alle Produkte des kaiserlichen Luxus konnten in Grandvilles Wohnung kein Bürgerrecht gewinnen, noch der jungen Gemahlin die verdiente Achtung abnötigen. Nichts gefiel ihr so gut wie die bemooste Quaderstein-Tapete. Nirgends ließ sie ein Sofa oder eine Nergere zu; so kam es, daß man in keinem einzigen Winkel der ganzen Wohnung sich heimisch fühlen konnte, und als

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