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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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von deinen Mienen! meine Teure. Wenn ein junger Mensch zu dir kommt oder mit dir redet, so wirst du so ernsthaft, daß man nicht weiß, was man aus dir machen soll. Ein aufgeweckter Jüngling wird deine Tugend sehr in Zweifel ziehen; es scheint, du fürchtest, durch ein Lächeln dir etwas zu vergeben, du siehst wirklich aus, als betetest du zu Gott, alle Sünden, die auf dem Feste begangen werden sollten, zu vergeben. Die Welt, mein Engel, ist kein Kloster, aber weil du deiner Toilette erwähnst, so will ich dir nur gestehen, daß du dich billigerweise wohl den Moden und Gebräuchen wie alle anderen deines Geschlechts fügen solltest.«
    »Soll ich mich wohl wie jene frechen Weiber kleiden, die vor aller Welt Augen ihre Schultern entblößen?«
    «Es gibt hier einen Mittelweg. Dein dreifacher Tüllbesatz, der dein Kinn verhüllt, ist dem Auge nicht angenehm. Du hast deine Schneiderin bewogen, deinem Wuchs und deiner Taille alle Reize zu nehmen. Wenn eine Kokette sich bemüht, die geheimsten weiblichen Formen durch den Schnitt ihrer Kleider geltend zu machen, so bist du das Gegenteil von einer Kokette, denn du bemühst dich, jedes Auge von deiner Gestalt fortzuscheuchen. Ich will dich nicht beleidigen, sonst könnte ich dir sagen, wie fremde Leute in meiner Gegenwart, weil sie nicht wußten, daß du meine Frau bist, sich über dich aufgehalten.«
    »Leichtsinnige Menschen sind nicht befugt, über meine Fehler zu urteilen,« sprach Madame Grandville in einem gewissen Lehrton.
    »Warum hast du nicht getanzt?«
    »Ich werde niemals tanzen,« versetzte sie streng.
    »Auch nicht, wenn ich es begehre?« fragte der junge Ehemann etwas heftig. »Du mußt tanzen, meine Liebe, mußt dich nach der Mode kleiden, mußt Putz und Edelsteine tragen, es ist die Pflicht reicher Leute, und wir sind es, aus ihrem Überfluß den Luxus emporzuhalten. – Besser ist es. den Manufakturisten einen Verdienst zu gönnen, als den Armen durch fremde Hände Almosen spenden zu lassen.«
    Der Zank ward endlich bitter. Madame Grandville blieb keine Antwort schuldig, obschon sie ihre christliche Fassung nicht verlor und ihre glockenreine Stimme niemals lauter noch leiser ertönte, kurz, sie offenbarte einen Eigensinn, in welchem der priesterliche Einfluß sich nicht verkennen ließ.
    Indem sie auf solche Weise ihr Recht behauptete, gestand sie, daß ihr Beichtvater das Tanzen ihr ausdrücklich untersagt. Grandville bemühte sich, ihr darzutun, daß der Priester in seinen kirchlichen Pflichten zu weit ginge, und der Streit ward von beiden Seilen heftiger. Um endlich den verderblichen Einfluß des Kanonikus gänzlich zu vernichten, schritt Grandville zum äußersten Mittel. Madame Grandville sollte nämlich nach Rom schreiben, um zu fragen, ob eine Gattin, unbeschadet ihrem Seelenheil, dem Manne zuliebe ihren Hals entblößen und Bälle und Schauspiele besuchen dürfe.
    Die Antwort des ehrwürdigen Papstes Plus VII. blieb nicht lange aus; verdammte die Widersetzlichkeit der Gattin ausdrücklich und gab dem Beichtvater obendrein einen Verweis. Der ganze Brief überhaupt, ein wahrer Ehekatechimus, schien der Feder Fenelons entflossen, so anmutig und milde war er abgefaßt. Es hieß unter anderem darin:
    ›Eine Gattin ist überall gut aufgehoben, wenn ihr Gemahl sich bei ihr befindet, wenn sie auf seinen Befehl Sünden begeht, so hat sie sie nicht zu verantworten.‹
    Madame Grandville aber beschuldigte in Gemeinschaft mit ihrem Beichtvater lieber den Papst der Ketzerei, als daß sie sich diesen heilsamen Lehren fügte.
     
    Dreizehn Jahre verstrichen, ohne daß in diesem traurigen Verhältnis irgend etwas Erzählenswertes sich ereignete.
    Angelika war ganz dieselbe geblieben. Jetzt, wo sie das Herz ihres Gatten verloren, wie damals, wo seine Liebe sie beglückte. Sie ermangelte nicht, ihre eifrigen Gebete zu Gott und allen Heiligen zu richten, um vom Himmel sich Licht zu erflehen über die Fehler, die ihr die Liebe ihres Gatten geraubt, den sie als einen armen Verirrten betrachtete und als verlorenes Schäfchen so gern in die Hürde der heiligen Kirche zurückgeführt. Je eifriger ihr Gebet wurde, je mehr entfernte Grandville sich von ihr. Seit fünf Jahren hatte er höhere Funktionen bei der Regierung erhalten und eine andere Etage, obwohl im selben Hause, bezogen, um jede unangenehme Begegnung mit seiner Gattin zu vermeiden.
    Morgen für Morgen ereignete sich jedoch ein Auftritt, der, wenn man boshaften Zeugen trauen darf, in gar manchen anderen

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