Lebensbilder II (German Edition)
Grandville sich gar nach den Preisen der Möbel erkundigte, ergab sich zu seiner Verwunderung, daß die verschlagenen Pariser Kaufleute die junge, gottesfürchtige Dame dazu benutzt hatten, ihr die älteste und verlegenste Ware zu unmäßig hohen Preisen aufzuschwatzen.
Angelika war sehr betrübt, daß keines von all den schönen Dingen, welche sie eingekauft, ihrem Manne gefallen wollte, und als dieser obendrein alles unmäßig teuer fand, traf er gerade den wunden Fleck ihres Herzens, und sie fing bitterlich an zu weinen.
Der arme Mann mußte am Ende sie zu trösten und zu erheitern suchen.
»Teure Angelika!« sprach er, »das Glück besteht nicht in der Schönheit der Wohnung und der Möbel, es hängt von der Sanftmut, der Gefälligkeit und Liebe einer Gattin ab.«
»Aber dich zu lieben, ist ja meine Schuldigkeit!« versetzte Angelika weinend, »und keine Pflicht habe ich noch mit innigerem Wohlgefallen erfüllt!«
Was sollte Grandville beginnen? Er liebte sein Weib, und die angehäufte Arbeit machte ihn für seine äußeren Umgebungen unempfänglich. Die größte Hälfte des Tages brachte er im Palaste zu, wo ihm das allgemeine Wohl des Staates, die Sorgen über Glück und Leben der Menschen soviel zu schaffen machten, daß ihm die Lust verging, sich um seine häuslichen Angelegenheiten zu kümmern. Wenn er Freitags auf seiner Tafel nur Fastenspeisen fand und er fragte, wann denn das Fleisch oder der Braten aufgetragen würde, so wußte seine Frau durch tausend Ausflüchte ihr religiöses Interesse zu verbergen, schob bald die Schuld auf ihre Nachlässigkeit oder Zerstreutheit und sorgte auf solche Weise für das Seelenheil ihres Gatten wider seinen Willen.
Die jungen Beamten zu der Zeit wußten damals im Kalender und mit den Fastentagen weniger Bescheid als heutzutage. Madame Grandville sorgte obendrein dafür, daß die Fastenspeisen aufs beste zubereitet wurden, und Grandville lebte weit orthodoxer, als er es wußte oder je geglaubt hätte.
Die Messen besuchte sie wider Wissen ihres Gemahls; am Sonntage pflegte er sie selbst zur Kirche zu begleiten. Den Besuch der Schauspielhäuser schlug sie unter allerlei Vorwänden ab, im Sommer schützte sie die allzugroße Hitze vor, im Winter Übelbefinden, und so blieb die verschiedene Lebensweise der Eheleute lange Zeit, ohne daß die beiderseitigen Mißverständnisse zur Sprache kamen.
Aber im November des Jahres 1807 kam der Kanonikus der Kathedrale zu Bayeux, der ehemalige Beichtvater der Bontemps und ihrer Tochter, nach Paris, in der Hoffnung, eine Pfründe in der Hauptstadt zu erwerben, die er bei seinen ehrgeizigen Plänen für eine Stufe zur Erwerbung des Bischofsstabes ansah. Er nahm allen Einfluß, den er über sein Beichtkind zu haben pflegte, wieder in Anspruch und seufzte, sie vom Hauch der Pariser Luft so verändert zu finden.
Angelika ward bei den Reden des Exkanonikus von Bangigkeit ergriffen. Es war ein Mann von etwa achtunddreißig Jahren und brachte alle Provinzialgesinnungen und Orthodoxie mit, während die Pariser Geistlichkeit damals, ihrer Toleranz und Aufklärung halber, Bewunderung verdiente. Seine strengen Grundsätze, seine Starrheit in der Ausübung religiöser Pflichten und der Stolz, womit er dies alles zur Schau trug, machten einen zu lebhaften Eindruck auf Angelika, sie beschloß, die Pflichten, die der Glaube ihr auflegte, nicht länger im geheimen zu üben, und legte so den ersten Grund zu häuslichen Zwistigkeiten.
Madame Grandville hatte sich stets bereitwillig zu Assembleen, Mittagsmahlen, Konzerten und Festen aller Art eingefunden, doch seit einiger Zeit fing sie an, den Bällen auf alle mögliche Weise auszuweichen. Sie beklagte sich an solchen Tagen stets über Migräne, allein Grandville merkte bald die List, unterschlug eine Einladungskarte zum thé dansant, hinterging seine Frau mit einer mündlichen Einladung und bewog sie auf diese Weise, weil ihre Gesundheit diesmal ihr kein Hindernis in den Weg legte, an einem herrlichen Feste teilzunehmen.
»Geliebte!« sprach er, da er seine Frau sehr mißvegnügt vom Balle heimführte, »als meine Gemahlin, des Ranges, den du einnimmst, und des Vermögens halber, welches wir besitzen, liegen dir Pflichten ob, an denen kein religiöses Gesetz dich hindern kann. Bist du nicht der Stolz deines Gatten? Deshalb mußt du erscheinen, wo er sich zeigt, und dich zeigen, wie es dir zukommt.«
»Aber, mein Lieber! was war denn so Unglückliches in meiner heutigen Toilette?«
»Ich rede
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