Lebensbilder II (German Edition)
sie und ihren Gemahl erlaubte, vernichteten mit einem Male die Täuschungen, die so künstlich gewoben waren. Sie verteidigte ihren Gemahl lebhaft, widersprach mit Heftigkeit dem Verdachte einer Untreue, deren Vorhandensein sie aber im Innersten ihres Herzens nicht leugnen konnte. Der Gedanke, daß sie die Liebe ihres Gatten verloren, der sie einer andern Person geschenkt, erregte, so fromm sie auch war, so heftige Gemütsbewegungen in ihr, daß sie davon erkrankte.
Ein heftiges Fieber stellte sich ein, und unglücklicherweise gerade zur Fastenzeit. Sie wollte weder ihre Andachtsübungen noch Fasten aufgeben, und die Krankheit nahm einen so heftigen Charakter, daß man in der Tat anfing, für ihr Leben Sorge zu hegen. Vor allem verursachte ihr Grandvilles Kaltsinn die größten Schmerzen. Seine Sorgfalt und Pflege, welche er ihrem Krankenlager weihte, glichen ganz den erzwungenen Beweisen der Achtung, die ein Neffe vielleicht dem Oheim spendet, den er zu beerben hofft.
Obschon die Gräfin ihre Bekehrungsversuche aufgegeben und ihrem Gatten mit sanften und gefühlvollen Worten begegnete, konnte sie doch nicht hinlänglich ihre wahren Gesinnungen verbergen, und ein einziges Wort zerstörte den günstigen Eindruck wieder, den sie bisweilen auf ihn hervorgebracht.
Gegen Ende des Mai hatte die günstige Witterung und eine nahrhaftere Diät ihre Gesundheit einigermaßen wieder hergestellt. Eines Morgens, als sie aus der Messe kam, setzte sie sich auf eine steinerne Bank in ihrem Garten, um die Frühlingsluft zu genießen.
Dort überdachte sie reiflich ihr ganzes vergangenes Leben und stellte Betrachtungen an, in welcher Hinsicht sie ihre Pflichten gegen ihren Gemahl oder ihre Kinder wohl vernachlässigt haben mochte. Ihr Beichtvater trat plötzlich zu ihr und verursachte ihr kein geringes Erschrecken.
»Ist Ihnen ein Unglück begegnet, mein frommer Vater?« fragte sie, nachdem sie sich erholt, mit voller Ergebenheit, »Sie sehen so blaß und bestürzt aus.«
»Oh! daß doch der Himmel,« rief der Mönch, »alle Strafen, die er über Sie verhängt, auf dieses Haupt häufen wollte. – Ehrwürdige Freundin, dies sind Prüfungen, denen man sich unterwerfen muß.«
»Ach!« seufzte die Kranke, »gibt es noch ärgere Leiden als die, mit denen die Vorsehung mich schon heimgesucht, indem sie sich meines Gatten als Werkzeuges ihres Zornes gegen mich bedient?«
»Bereiten Sie sich zu größeren Leiden vor, als wir im Verein mit Ihren frommen Freundinnen je geglaubt.«
»So will ich Gott danken, daß er mich würdigt, durch einen solchen Boten seinen Willen zu vernehmen; so stellt er neben den Fluten seines Zornes die Schätze seines Trostes hin, wie er vor alten Zeiten Hagar segnete und ihr einen Quell in der Wüste zeigte.«
»Ihre Leiden sind gemessen nach dem Maße Ihrer Kräfte und nach dem Gewichte Ihrer Schuld.«
»Reden Sie! ich bin bereit, alles zu hören.«
Dieser begann: »Seit sieben Jahren begeht Herr Grandville die Sünde des Ehebruchs mit einer Konkubine.«
«O Himmel!«
»Zwei Kinder hat er mit ihr; und hat zu ihrem trefflichen Haushalt mehr als 500 000 Franken verschwendet, die seiner rechtmäßigen Familie gehören.«
«Ich muß mich mit eigenen Augen hiervon überzeugen!« sprach die Gräfin.
»Hüten Sie sich wohl, liebe Tochter,« rief der Mönch. »Sie müssen Vergebung üben und warten, bis Gott Ihrem Gemahl die Augen öffnet. Sonst könnten Sie indes auch von gesetzlichen Mitteln Gebrauch machen.«
Die lange Unterredung des Geistlichen mit seinem Beichtkinde verursachten eine heftige Veränderung in dem Gemüte der Gräfin. Sie verabschiedete ihn, und fast zornig betrat sie wieder ihr Haus. Sie kam und ging mit ungewöhnlicher Unruhe: sie gab Befehl anzuspannen, was sehr selten von ihr geschah, dann ließ sie wieder ausspannen; ihre Befehle widersprachen sich zehnmal in einer Stunde. Endlich gewann sie einen festen Entschluß, noch einmal mußte ihr Wagen vorfahren, und alle Welt erstaunte über die plötzlich in ihr vorgegangene Veränderung.
»Kommt der Herr zum Essen nach Hause?« fragte sie den Kammerdiener, den sie bisher noch keines Wortes gewürdigt.
»Nein! Madame.«
»Ist er diesen Morgen zum Palais gefahren?«
»Ja! Madame.«
»Ist heute nicht Montag?«
»Ja! Madame.«
»Am Montag ist im Palais nichts zu tun.«
»Geh zum Teufel!« rief der Diener lachend, als seine Gebieterin davonfuhr.
Weinend und in tiefer Trauer saß Karoline von Bellefeuille in ihrem niedlichen
Weitere Kostenlose Bücher