Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
Gemache. Eugen hielt ihre Hand in der seinigen und betrachtete bald den kleinen Karl, der nichts von Trauer wußte und seine Mutter stets fragte, warum sie so schwarz gekleidet ginge, bald die kleine Eugenie, welche friedlich in ihrer Wiege schlummerte, bald Karolinens Antlitz, das in Tränen, wie die Sonne durch Regen, strahlte.
    »Nun, mein Engel!« sprach Eugen, »du weißt nun das große Geheimnis, ich bin mit einer anderen vermählt! – doch eines Tages, so hoffe ich, werden wir eine Familie bilden. Meine Frau ist seit dem März gefährlich krank; ich wünsche ihren Tod nicht, aber wenn es Gott gefällt, sie zu sich zu nehmen, so wird sie im Himmel droben wohl besser daran sein als im Geräusch einer Welt, deren Freuden sie so wenig kennt als ihr Leiden.«
    »Wie hasse ich sie! – wie konnte sie dich so unglücklich machen? – Und doch verdanke ich mein Glück deinen Leiden mit ihr.«
    »Hoffen wir, Karoline,« rief Eugen und küßte die Geliebte. «Fürchte jenen Geistlichen nicht, es ist der Beichtvater meiner Frau, das ist wahr! Aber sollte es ihm einfallen, unser beider Glück zu zerstören, so ist mein Entschluß gefaßt.«
    »Und was wirst du beginnen?«
    »Ich gehe mit dir nach Italien! ich fliehe – «
    Ein Schrei aus dem nächsten Zimmer unterbrach ihn mitten in seiner Rede. Erschrocken schwieg er; Karoline zitterte. Hastig eilten beide der Stimme entgegen und fanden die Gräfin von Grandville ohnmächtig am Boden. Sie erholte sich, und da sie sich zwischen ihrem Gatten und ihrer Nebenbuhlerin sah, stieß sie einen schmerzlichen Seufzer aus. Unwillkürlich machte sie eine Bewegung des Widerwillens, um Karolinens hilfreiche Hand fortzustoßen. Diese wollte sich entfernen.
    »Sie sind hier zu Hause,« sprach Grandville und hielt seine Geliebte beim Arm zurück.
    Er umfaßte seine halbtote Gemahlin, erhob sie und trug sie in den Wagen, setzte sich neben sie und befahl dem Kutscher zuzufahren.
    »So wünschest du also meinen Tod! willst mich fliehen!« sprach mit schwacher Stimme die Gräfin und betrachtete ihren Gatten mit einem Blicke voll Schmerz und Unwillen. »Ich war auch jung! – Du hast mich einst schön gefunden. – Was hast du mir vorzuwerfen? Wann hinterging ich dich? War ich nicht keusch und sittsam? Hat je ein anderes Bild in meinem Herzen gelebt als das deinige? Worin habe ich denn gefehlt? Womit habe ich dich beleidigt?«
    »Madame!« sprach Grandville mit fester Stimme, «war unser Leben ein glückliches? Sie wissen, es gibt zweierlei Arten, Gott zu dienen. Gewisse Leute sind der Meinung, daß, wenn sie zu bestimmten Stunden in die Kirche gehen und Paternoster sagen, wenn sie die Messe regelmäßig hören und die Fasten halten: das Himmelreich ihnen gewiß sei: alle diese, Madame, werden zur Hölle fahren, denn sie haben Gott nicht um seiner selbst willen geliebt, ihn nicht angebetet, wie er angebetet sein will, haben ihm kein Opfer gebracht, waren nur dem Scheine nach fromm und im Herzen gottlos, den Buchstaben des Gesetzes haben sie gehalten, aber um die Deutung sich nicht gekümmert: und auf solche Weise haben Sie Ihren Gemahl behandelt. Mein Glück brachten Sie Ihrem vermeinten Seelenheil zum Opfer. Wenn ich mit einem Herzen voll Liebe Ihnen nahen wollte, beteten Sie; wenn ich mich bei Ihnen erlustigen, erholen, zerstreuen wollte, zerknirschten Sie sich, – nicht eine einzige heitere Stunde in der langen Zeit unserer Ehe verdanke ich Ihnen!«
    »Sollte ich denn mein Seelenheil verlieren, um dich glücklich zu machen?« rief die Gräfin.
    »Es wäre ein Opfer gewesen,« entgegnete er kalt. »Ein anderes Frauenzimmer, das mehr mich liebt, hatte den Mut, es mir zu bringen.«
    Die Gräfin rang die Hände.
    »O mein Gott!« rief sie in Tränen, »du hörst es, ist der Mann der Fürbitten und Zerknirschungen wert, denen ich mich unterzog, um seine Fehler abzubüßen, – was hilft die Tugend, wenn – «
    »Den Himmel zu gewinnen! Liebe. Man kann nicht die Gattin eines Mannes sein und obendrein die Braut Jesu Christi, das wäre Bigamie. Sie haben die Wahl gehabt zwischen einem Manne und einem Kloster, das letzte haben Sie gewählt. Um Ihres Seelenheiles willen haben Sie alle Liebe in Ihrem Herzen, alle Zuneigung, die Gott zu meinem Eigentum darin erweckte, erstickt, und nur mit den Gefühlen des Hasses können Sie die Welt betrachten.«
    »Ich habe dich wohl nie geliebt?«
    »Nein!«
    »Was ist denn Liebe, wenn ich dich nicht liebte?«
    »Liebe! meine Beste,« begann Grandville mit

Weitere Kostenlose Bücher