Lebensbilder II (German Edition)
am Mahl. Still saß sie da, die Lampe ergoß das volle Licht, wie ein Heiligenschein, über sie. So forderte sie den Künstler gleichsam auf, sie zu malen, dem sie wie ein aus seiner jenseitigen Heimat verbannter Engel erschien.
Der Maler eilte heim, er konnte nicht schlafen, nicht essen noch trinken, als bis er in seinem Atelier jenes Bild entworfen. Aber ach! die Hauptfigur wollte den schwärmerischen Wünschen seines Herzens nicht genügen. – Er ging oft vor der ballspielenden Katze auf und nieder, betrat unter diesem oder jenem Vormunde das Haus, um noch einmal seinem Ideale zu begegnen.
Endlich vermißten ihn alle seine Freunde, er war nigends mehr gesehen, und alle Besucher wurden bei ihm abgewiesen.
Girondet aber, der mit allen Kunstgriffen, womit Kunstler ihre Einsamkeit sichern, bekannt war, wußte seine Vorkehrungen zu vereiteln, gelangte zu ihm und weckte ihn aus den langgehegten Träumen mit der Frage:
»Nun! was wirst du zur Ausstellung bringen?«
Schweigend faßte der Jüngling die Hand seines Freundes, führte ihn vor eine Staffelei und enthüllte ein Porträt und ein großes Gemälde.
Girondet betrachtete beide Bilder mit Erstaunen und Freude, warf sich sprachlos an die Brust des Jünglings und rief:
»Du liebst! Tizian, Raffael, Leonardo da Vinci verdanken der Liebe ihre herrlichsten Gebilde. Glücklicher! Du kommst aus Italien und findest dergleichen hier? – Oh, bring' diese Bilder nicht zur Ausstellung! Diese Wahrheit, dieser Fleiß wird nicht anerkannt werden: unsere Bilder sind Pfuschereien dagegen. Es ist besser, den Anakreon zu versinnlichen, und man hat mehr Erfolg zu hoffen.«
Diese beiden Bilder kamen dennoch auf die Ausstellung und erregten unglaubliche Teilnahme. Das eine veranlaßte die vielen Genrestücke, die in so häusiger Anzahl sich noch zu den Ausstellungen einfinden, daß man glauben möchte, sie würden durch mechanische Vorkehrungen verfertigt.
Das Porträt lebt bis auf den heutigen Tag in der Seele so manches wackeren Künstlers fort. Girondet selbst setzte ihm den Kranz auf.
Eine unzählbare Menge von Zuschauern umringte das Bild beständig: man zerdrückte sich, wie die Damen sagten, um es zu betrachten. Spekulanten, vornehme Herren usw. boten Gold auf Gold, um das Bild zu erstehen, der Kunstler wollte es nicht feil geben, es nicht einmal kopieren oder in Kupfer stechen lassen. um so mehr interessierte man sich jetzt dafür.
Selbst bis zur Rue St. Denis drang der Ruhm des jungen Künstlers. Madame Vernier, die Frau eines Notars, der von Guillaume oft gebraucht wurde, verkündete ihn in der ballspielenden Katze.
Augustine bat ihre Mutter, auf zwei Stunden mit Madame Vernier nach dem Louvre gehen zu dürfen, und diese mußte dem unmäßigen Zureden der Vernier endlich nachgeben.
Beide Damen gelangten endlich vor das Bild, und wie groß war Augustinens Erstaunen und Entsetzen, als sie sich selbst zweimal porträtiert sah. Sie blickte sich nach ihrer Tante um, sie war durch das Gedränge schon weit von ihr geschieden. Plötzlich trat ein Jüngling zu ihr, sie erinnerte sich, ihn gesehen zu haben, und daß er sich öfter zu ihr gedrängt. »Es ist mein Werk!« flüsterte er ihr zu, »dazu vermochte mich Liebe!«
Auguste gewann Kraft zu fliehen, gelangte wieder zu ihrer Begleiterin. – »Um Gottes willen, lassen Sie uns heimkehren, es ist ein Gedränge hier zum Ersticken,« rief sie.
Jene sprach: »Darum also drängen sich die Menschen so? Deines Vaters Haus und Ihr alle, wie Ihr leibt und lebt! Mich dünkt, das kann ich alle Tage besser und bequemer bei Euch sehen.«
Immer noch verfolgte sie der Maler. – Sollte sie seine Blicke erwidern? – Sie vermochte es nicht: ihm schnöde begegnen? – Er war der Held und Liebling des Tages und weihte alle seine Triumphe ihr.
Er begleitete sie bis zum Wagen, da wandte sich Augustine, sah ihn mit einem bittenden und zärtlichen Blick an, daß der Jüngling von seiner dreisten Verfolgung augenblicklich abstand. Ehrfurchtsvoll verneigte er sich vor seinem holden Ideale und war überglücklich, als ein Abschiedsblick seiner Angebeteten aus dem Wagenfenster ihn traf.
Augustine wußte nicht, wie ihr geschehen war, ihr war so unbehaglich und weh: endlich weinte sie, und als sie nach Hause kam, beklagte sie sich über Kopfschmerzen.
»Das hat man davon,« sagte ihre Mutter, »wenn man überall hingeht, wohin die närrischen Menschen sich drängen. Wärst du heim geblieben, würdest du statt zu weinen jetzt lachen.« Als
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