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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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aber die geschwätzige Vernier ihr erzählte, daß das berühmte Bildnis sie mit samt der ganzen ballspielenden Katze vorstelle, da machte sie große Augen und beschloß, auch hinzugehen. Herr Guillaume sagte, das kann mir viele Kunden zuführen. Augustine erschrak über den Vorsatz ihrer Mutter, obschon ihre Furcht unnötig war. Der zartfühlende Künstler hatte unmittelbar nach Augustinens Besuche die Bilder zurückgenommen. Madame Guillaume fand sie nicht mehr, verlor obendrein ihren schwarzen Spitzenschal und kam sehr bös nach Hause; Augustine war dagegen recht seelenfroh und wußte selbst nicht, warum.
     
    An einem Sonntagmorgen stand Herr Guillaume sehr früh auf, und nachdem er sich säuberlich barbiert und gewaschen, zog er einen feinen braunen Frack an, dessen Dauerhaftigkeit und Güte ihm stets von neuem Zufriedenheit abnötigte. Er befestigte die weiten schwarzseidenen Beinkleider mit goldenen Schnallen und schmückte die Schuhe auf ähnliche Weise.
    Um sieben Uhr war er fertig und lenkte seine Schritte nach einem kleinen Kabinette, dicht beim Laden im Erdgeschoß.
    Mit sinnenden Blicken betrachtete er das zweisitzige Pult, die Stelle, die er, und die, welche seine Gattin inne zu haben pflegte, betrachtete seinen Armsessel und den gepolsterten Kontorbock, auf welchem er zu Lebzellen des Herrn Chevral, seines seligen Prinzipals, gesessen hatte. Diese Rückerinnerungen versetzten ihn in eine seltsame Bewegung, und mit zitternder Hand zog er die Klingel.
    Sein ältester Kommis, Joseph Lebas, trat ein.
    »Setz dich,« sprach Herr Guillaume.
    Jener gehorchte freudig, denn nie zuvor durfte er vor seinem Prinzipal sitzen.
    Dieser, um sich zu sammeln, suchte einige kurz zuvor eingelaufene Wechsel, betrachtete sie und fragte seinen Diener:
    »Was meinst du zu diesen Papieren?«
    »Werden schwerlich ausgezahlt werden.«
    »Weshalb?«
    »Vorgestern haben Leroux & Co. alle Zahlungen in Gold gemacht.«
    »Man muß auch damit zufrieden sein. – Aber von etwas anderem. Joseph, wir haben die Bilanz gemacht!«
    »Ja, Herr! und das Resultat war eins der besten, das wir je gewonnen.«
    »Pfui! Resultat, ein neues Wort: du mußt Fazit sagen. Dir verdanke ich zum Teil das gute Fazit, mein Sohn! Du sollst von nun an auch keinen Sold mehr haben. Meine Frau hat mir ein Mittel an die Hand gegeben, dir einen Anteil am Geschäft zuzuweisen. – Was meinst du. Joseph? Guillaume, Lebas & Co. wird nicht übel klingen.«
    Die Tranen traten dem guten Joseph in die Augen. »Bester Herr Guillaume,« rief er, »womit habe lch so viele Güte verdient? Ich habe ja nur meine Schuldigkeit getan, und es ist schon viel – «
    Er spielte mit seinen Fingern und wagte nicht, weiter zu reden, noch seinen Prinzipal anzublicken.
    »Eigentlich«, fuhr dieser fort »verdienst du es nicht, daß ich soviel für dich tue, denn du erzeigst mir nicht so viel Vertrauen, wie ich dir erweise.«
    Der erschrockene Kommis machte große Augen.
    »Sieh, Joseph, du hast meine Kasse in Händen und weißt seit zwei Jahren um alle meine Geschäfte: ich ließ dich von einer Fabrik zur andern reisen. – lch habe also nichts auf dem Herzen, was du nicht weißt. Aber du hast was auf dem Herzen, was ich nicht wissen soll.«
    Joseph errötete.
    »Halt!« rief Herr Guillaume und faßte ihn beim Ohr, »willst du mich alten Fuchs hintergehen? Habe ich nicht den Bankrott von Locay ein Jahr früher sogar gewittert und mich aus der Sache gezogen?«
    »Sie wissen also?«
    «Ich weiß alles. Schelm, und vergebe dir.«
    »Und geben Ihre Einwilligung?«
    »Meine Einwilligung und 50 000 Taler.«
    Von neuem weinte Joseph.
    »Was fehlt dir?«
    »Ach! ich bin Ihnen so vielen Dank schuldig und bin ihr so gut!«
    »Und sie ist dir wieder gut, mein Sohn, und das eben ist es.«
    »Wie? was?« rief Joseph, »Augustine liebt mich? O Augustine, Augustine!«
    »Was sprichst du von Augustinen ? Ich meine Virginie.«
    Wie vom Schlage getroffen stand Joseph und ließ die Unterlippe hängen.
    »Joseph!« fuhr der Prinzipalfort, »das tut mir leid, denn ich werde Augustinen nicht vor der älteren Schwester vermählen; aber dein Kapital soll dir 10% Interessen tragen.«
    Der Kommis gewann den Mut eines unglücklich Liebenden. Er faltete die Hände, bat, flehte eine halbe Stunde lang, mit so viel Eifer, Gefühl und Ungestüm, daß der alte Kaufmann ganz irre ward.
    »Hör' an! Joseph, du weißt recht gut, daß meine Töchter zehn Jahre auseinander sind. Virginie ist nicht schön, aber sie soll keine

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