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Lebenschancen

Lebenschancen

Titel: Lebenschancen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffen Mau
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Prozent gibt, während in der Mitte und unten Verluste hingenommen werden müssen, hat die Ungleichheit offenkundig nicht die segensreichen Wirkungen, die man ihr unterstellt.
    Der amerikanische Politikwissenschaftler Lane Kenworthy (2011) hat dieses Argument einmal am Beispiel von Baseball-Mannschaften durchgespielt. Was passiert, wenn einige wenige Stars Millionen abräumen? Steigt dann auch das Einkommen der Teamkollegen, weil die Einnahmen aus Fernsehrechten, Ticketverkäufen oder Merchandising wachsen und davon auch etwas in ihre Taschen fließt? Können sie in der Soziusposition von den Einkommen der Spitzenspieler profitieren, weil der Verein insgesamt höhere Gewinne macht? Kenworthy hat die Gehälter aller Spieler der Major League Baseball für die Jahre 1989 bis 2007 analysiert und dabei jeweils die Einkommen der drei bestbezahlten Spieler eines Teams mit denen der fünf Kollegen in der Mitte der Gehaltstabelle verglichen. Resultat: In den vergangenen 20 Jahren ist sehr viel Geld in die Liga geflossen, so dass sich die Bezahlung der Spieler insgesamt verbessert hat. Selbst die fünf Spieler in der Mitte der Skala verdienten im Schnitt eine Million mehr als 1989. Die Zuwächse bei den Stars haben sich allerdings nicht in bessere Einkommen für den Rest übersetzt.
Die hochbezahlten Topspieler nehmen mehr vom Kuchen, als sie zu seinem Größerwerden beitragen. Ein Beispiel: Auf die drei prominentesten Spieler der San Francisco Giants entfielen 1989 22 Prozent des gesamten Topfs, der für Gehälter zur Verfügung stand; bis 2007 stieg ihr Anteil auf sage und schreibe 40 Prozent, während die Spieler in der Mitte allenfalls mäßige Zugewinne erzielten. Besser erging es der Mitte in Teams, deren Stars zwar mehr verdienten, aber eben nicht so viel mehr, dass ihre Kameraden sie aus den Augen verloren. Man kann diese Überlegungen aufs Showgeschäft oder den Kunstbetrieb übertragen: Superdeals für Harald Schmidt oder Stefan Raab nutzen den Moderatoren eines lokalen Radiosenders genauso wenig wie 11,2 Millionen Dollar für Gerhard Richters »Düsenjäger« darbenden Künstlern in Berlin.
    Auf solchen Märkten gewinnen immer nur wenige, selbst wenn die ursprünglichen Qualitäts- oder Leistungsunterschiede eher gering sein mögen. Die Topverdiener gewinnen dabei allerding viel, sehr viel. Der britische Soziologe Anthony Giddens illustriert diesen Mechanismus mit folgendem Beispiel:

    »Ein Top-Tennisspieler mag nur geringfügig talentierter sein als seine Konkurrenten, aber dieser winzige Vorteil verschafft ihm unverhältnismäßig höhere Einnahmen. Ein Spieler auf einem der ersten Plätze der Weltrangliste kann Millionen verdienen; ein anderer, ihm fast ebenbürtiger, der hundert Plätze weiter unten steht, hat vielleicht Mühe, mit dem Tennisspielen überhaupt einen bescheidenen Lebensunterhalt zu finanzieren.« (2000: 131)

    Für die Mittelschicht heißt das, dass sie vom Geldregen in den Führungsetagen wenig hat. Für die USA sprechen Hacker und Pierson (2010) von einer »Winner-takes-all-Gesellschaft«, die es erlaubt, dass die Spitzen die Gewinne abräumen, während für die Mitte kaum etwas übrig bleibt. Langfristig entsteht dadurch eine Schicht abgehobener und sehr mächtiger Superreicher. Problematisch sind solche Winner-takes-all-Märkte insbesondere, weil sie langfristig den offenen Wettbewerb unterhöhlen
und der Entstehung monopolistischer Strukturen Vorschub leisten. Sie tragen gleichfalls dazu bei, dass enorme Unterschiede in der politischen Machtverteilung entstehen und einige wenige Personen überproportional viel Einfluss gewinnen können. Unter anderem aus diesem Grund können sich viele Menschen immer weniger mit einer ungleichen Gesellschaft anfreunden, in der wenige exorbitant viel verdienen und sich die anderen den Rest teilen müssen (Frank/Cook 1996).
    Die schrumpfende Mitte
    Parallel zu dieser Polarisierung vollzieht sich ein weiterer besorgniserregender Prozess: Die Gruppe der Empfänger mittlerer Einkommen wird kleiner. Markus Grabka vom DIW sieht einen eindeutigen Trend der Mittelschichtschrumpfung, der unter anderem durch das Öffnen der Ungleichheitsschere verursacht ist. Auf Grundlage des sozio-ökonomischen Panels, einer Langzeitbefragung, die seit 1984 mit rund 11 000 deutschen Haushalten durchgeführt wird, lässt sich berechnen, wie sich das Volumen der Mitte genau verändert hat. Legt man die oben bereits angesprochenen Grenzen von 70 und 150 Prozent des (nach

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