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Lebenselixier

Lebenselixier

Titel: Lebenselixier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Bender
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verborgenes Messer und stürzte sich auf Jan.
Der Bluttrinker packte den Sterblichen, wirbelte ihn herum und schlug zugleich
das Messer aus seiner Hand. Jan verharrte, suchte den Blick seines Freundes.
Man hatte Lukas beigebracht, menschliches Leben zu respektieren. Doch es gab
Grenzen, die er noch niemals so deutlich wahrgenommen hatte, wie in dieser
Nacht. Er nickte entschlossen.
    Jan gab dem
Sterblichen grade genug Zeit, um sein eigenes Messer an seinem Hals zu fühlen.
Ließ ihn begreifen, dass dieses Wesen, das einen Kopf kleiner war als er
selbst, bisher nur mit ihm gespielt hatte. Und das Spiel war vorbei.
Der Tätowierte öffnete den Mund, doch zu einem Schrei kam er nicht mehr. Jan
zog die Klinge durch seine Kehle und stieß ihn von sich, bevor das Blut, das
aus den durchtrennten Adern schoss, seine Kleidung besudeln konnte.
     
    Hannah schaffte
es nicht, zu schreien. Nur ein gepresstes Wimmern kam über ihre Lippen, als die
Tür aufgestoßen wurde.
Thomas warf seine improvisierte Waffe von sich. Tony ließ ihr Brett im selben
Augenblick fallen, denn es war Lukas, der sich durch die enge Tür drängte,
dicht gefolgt von Jan.
Einen Sekundenbruchteil erschien ihr Gefährte ihr beinahe fremd.
Lukas Haut wirkte grau, wie sie es noch niemals an ihm gesehen hatte. Glanzlos
hing das dunkelblonde Haar um sein Gesicht. Unfähig ein Wort hervorzubringen
warf Tony sich an seine Brust. Keine Strapaze, der ihr Gefährte bisher
ausgesetzt war, hatte seinem Äußeren viel anzuhaben vermocht. Tony wollte sich
in Tränen auflösen. Aus Erleichterung, aber auch aus Schmerz, weil sie ihm ansah,
wie sehr er unter ihrem Verschwinden gelitten hatte.
    In diesem
Augenblick traf sie eine Entscheidung, von der sie nicht geahnt hatte, dass sie
anstand. Ihre Zweifel, was ein Bluttrinker unter Liebe verstehen mochte, waren
noch immer präsent. Womöglich ging es für ihn tatsächlich überwiegend um die
Befriedigung seines Hungers. Vielleicht würde sie die ganze Wahrheit niemals
herausfinden.
Aber waren sterbliche Paare denn besser dran? Wussten sie denn so genau, was
ihr Partner wirklich für sie empfand?
    Lukas brauchte
sie. Um zu überleben. Er würde jederzeit, ohne mit der Wimper zu zucken, sein
Leben für sie aufs Spiel setzen. Und wenn sie starb, würde er ihr in den Tod
folgen.
Liebe? Symbiose? Wer definierte diese Begriffe? Wer hatte das Recht, ihnen
einen Wert beizumessen?
Lukas zog sie fest an sich, während krampfhafte Schluchzer sie schüttelten.
    „Wir müssen hier
raus!“
Es war Jans Stimme, die sie aufschrecken ließ. Nicht nur Tony, auch Lukas
musste sich losreißen. Er schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu klären.
„Wir müssen hier raus“, wiederholte er dann.
    Thomas ergriff
Hannahs Handgelenk und zog sie mit sich, in Richtung Tür. Jan schien die
weitere Gefangene bisher kaum wahrgenommen zu haben. Irritiert blieb er stehen.
„Was soll das sein?“
Hannahs schrille Panik wirkte wie Schmirgelpapier auf die überreizten Sinne der
Bluttrinker. Jan knurrte leise. Lukas betrachtete die Fremde misstrauisch.
„Sie hat ursprünglich zu denen gehört. Aber sie hat mir bei der Flucht
geholfen. Ich habe ihr versprochen, ihre Schwester zu finden. – Die ist mit
einem Bluttrinker durchgebrannt“, ergänzte Thomas auf Lukas fragenden Blick
hin.
„Tommy, wenn sie zu diesen Giftmischern gehört … ich weiß nicht, wie gut du
über unsere Gesetze Bescheid weißt.“
    Thomas packte die
zitternde Sterbliche fester. Sie stand zum ersten Mal erwachsenen Bluttrinkern
gegenüber und weder Jan noch Lukas machten im Augenblick einen
vertrauenerweckenden Eindruck. Nicht mit diesen aufgepumpten Muskeln und den
deutlich sichtbaren Fangzähnen.
„Darüber soll der Rat entscheiden“, forderte Thomas. Er schien nicht die
mindeste Befürchtung zu hegen, jemand könnte anderer Meinung sein.
„Na schön“, knurrte Lukas. „Jetzt aber Tempo!“
    Sie folgten Jan
eilig auf den Flur hinaus, gerieten allerdings wieder ins Stocken. An die Wand
gelehnt saßen dort drei Männer, gefesselt mit abgerissenen Streifen ihrer
eigenen Kleidung. Tony drückte sich an die gegenüberliegende Wand. Die Augen
hielt sie gesenkt vor den hasserfüllten Blicken. Dort entdeckte sie die
Blutlache, die sich noch immer im Teppichboden ausbreitete. Mitten darin lag
ein Mann, so massig, dass er beinahe wie eine Comicfigur wirkte. Der tätowierte
Schädel schien eigenartig verdreht. Noch ein Schritt weiter, und Tony sah die
klaffende Wunde. Und die

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