Lebenselixier
paar Platzwunden und
gebrochene Knochen. Genauso wie die anderen Jungs, mit denen er sich geprügelt
hat, auch. Das ist doch ganz normal, in dem Alter.“
„Sag es ihm, Cornelius.“ Elenas Stimme war leise, aber zwingend in ihrem
Schmerz. „Hast du solche Angst vor ihm, dass du seine Brut mit dem Mord an
unserm Sohn davonkommen lassen willst?“
Elena war
aufgestanden und umklammerte die Rückenlehne eines Sessels mit zitternden
Händen. Die gauhaarige Frau trat hinter sie und stützte ihre Schultern. Stumme
Tränen liefen aus den trüb gewordenen Augen der Sterblichen. Die Stimme von
Cornelius Gefährtin klang rau, nach dem hysterischen Weinkrampf, der sie noch
vor wenigen Minuten schüttelte. Sie hatte einen kurzen Blick auf das pixelige
Foto ihres toten Sohnes erhascht.
Auffordernd sah Arne den Bluttrinker an, der für seine sterblichen Nachbarn
einfach einer der erfolgreichsten Geschäftsleute Amsterdams war. Cornelius
schüttelte den Kopf.
„Er war ständig mit dieser Gang zusammen“, presste Elena hervor, ihre Stimme
wieder eine Oktave höher. „Sag es ihm, Cornelius! Es war irgend so eine kranke
Mutprobe. Aber er hat ihn auf dem Gewissen. Rhen, und diese anderen Verbrecher,
die nur wegen Sinclairs Geld noch immer frei herumlaufen dürfen. Warlocks, er
wollte unbedingt zu den Warlocks gehören!“
Lukas bahnte sich
seinen Weg durch die bis in den Morgen hinein lebhaft bevölkerten Straßen des
Rotlichtviertels. Jetzt, im Sommer, waren es in der Überzahl neugierige
Touristen, die an den berühmten Fenstern vorbeiflanierten, hinter denen sich
halb nackte Frauen als Ware darboten.
Lukas kannte diesen Ort gut. Das gehörte zu seiner Arbeit. Das florierende
horizontale Gewerbe machte die Stadt zu einem El Dorado für junge Bluttrinker,
die sich unkompliziert und preisgünstig amüsieren wollten. Wenn etwas vorfiel,
worin Artgenossen verwickelt waren, so geschah das in achtzig Prozent der Fälle
hier.
Der Caven Club,
in einer versteckten Ecke am Rande des Viertels gelegen, galt als das
Wohnzimmer der Warlocks. Lukas blieb stehen und betrachtete das windschiefe
Backsteinhaus. Wie alle Gebäude dieser kurzen Sackgasse sah es unbewohnt und
schäbig aus. Ganz im Gegensatz zu den adrett aufpolierten Häuschen der nahen
Grachten, wo sich Kneipen und Sexshops aneinanderreihten und eine fröhliche
Karnevalsatmosphäre verbreiteten. Hierher drang der Lärm der Menschenmengen
gedämpft. Die Straßenlaternen waren defekt, wie schon seit Jahren. Das weiße
Metallschild mit der schlichten, schwarzen Schrift machte nicht im wirklichen
Sinne auf den Klub aufmerksam, zu dem eine Außentreppe in den Keller hinab
führte.
Lukas schlenderte
zu der Treppe und lehnte sich lässig gegen das rostige Geländer. Weiter würde
er ohne Einladung nicht gehen.
Rhen hatte den
Hütern der Vampirgesetze bisher keinen brauchbaren Grund für einen Besuch
geliefert und Arne wollte vermeiden, dass die Warlocks sich unnötig provoziert
fühlten. Sollte Rhen tatsächlich etwas mit Finns Tod zu tun haben, wusste er
jetzt schon, warum Lukas hier war. Rhen in die Enge zu treiben könnte ihn dann
leicht den Hals kosten.
Es dauerte nur
Minuten, bis sich unten eine Tür öffnete. Ein bullig gebauter Bluttrinker
stapfte die Treppe herauf und baute sich herausfordernd vor ihm auf. Lukas
blickte der Vampirversion eines Rausschmeißers gelassen entgegen.
„Ich möchte zu Rhen.“
„Zu dem wollen viele. Was willst´en von dem?“
„Kleiner Freundschaftsbesuch“, log Lukas. „Ich hab Neuigkeiten, die ihn
bestimmt interessieren.“
Der massige Kerl stieß ein raues Lachen aus. „Machst Witze, was? Du bist doch
´n Jäger!“
Lukas schüttelte den Kopf. „Nein, ich hab´ noch nicht ausgelernt.“
Der Riese beäugte ihn misstrauisch, machte aber schließlich eine unwillige
Geste, die Lukas zum Mitkommen aufforderte. Erleichtert aber wachsam folgte er
Rhens Wachhund in die unterirdischen Gefilde.
Der Caven Club verzichtete auf die Wahrung einer unverfänglichen Fassade. Das hatte Rhen nicht
nötig. Er zog ein vollständig im Untergrund geführtes Leben dem Aufwand vor,
sich den Institutionen der Sterblichen als Mensch darzustellen.
Der Keller war erfüllt von haschgesättigtem Tabaksqualm, dem Geruch nach
abgestandenem Alkohol und dumpfen, schwermütigen Rockklängen. Die spärliche
Beleuchtung, ein Zugeständnis an die menschlichen Spielzeuge der Warlocks,
betonte nur die schwarze Farbe, mit der praktisch alles gestrichen war, was
sich hier
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