Lebenselixier
zwei Umstände, die bewirkten, dass ein Bluttrinker einen durch den
Blutaustausch mit ihm verbundenen Menschen nicht wahrnehmen konnte.
„Jan, er ist nicht tot! Er kann nicht tot sein! Du hast selbst gesehen, dass da
höchstens ein paar Tropfen waren. Eine so minimale Verletzung bringt einen
Gefährten nicht um.“
Jan blickte von den hüpfenden und sich balgenden Katzen auf. Der Schinken war
alle. „Und was ist, deiner Meinung nach, passiert?“
„Er muss einfach noch immer bewusstlos sein.“ Der Anblick des eingeschlagenen
Schädels hatte sich in die Netzhaut aller eingebrannt, die ihn gesehen hatten.
„Er hätte gute Chancen, selbst das zu überleben. Aber so kann es nicht gewesen
sein.“
Jan hatte zwar nicht mit angesehen, wie schwierig es war, die Überreste des
Sterblichen vom Fußboden und dem Kassentresen abzukratzen, aber er war kein
Dummkopf. Natürlich war ihm klar, dass Thomas, mit einer ähnlichen Verletzung,
auch die gleiche Sauerei hinterlassen hätte. Und dass sein Gehirn, eine noch
einigermaßen intakte Blutversorgung vorausgesetzt, Monate brauchen würde, um
sich zu regenerieren. Auf keinen Fall wäre Jans Gefährte beinahe spurlos
verschwunden.
„Wir finden raus, was da passiert ist! Wir finden Thomas!“
Jan ließ zu, dass Lukas seine Hände ergriff und fest drückte. Aber in seinen
Augen lag nur Hoffnungslosigkeit.
21
Als Thomas
erwachte, war er überzeugt, dass sich ein schweres Unglück ereignet haben musste.
Dunkelheit umgab ihn und auf seiner Brust lastete ein enormes Gewicht, das ihm
beinahe den Atem nahm. Unter seinem Rücken fühlte er eine kalte, glatte Fläche.
War das Haus eingestürzt? Zumindest musste die Decke heruntergekommen sein,
nach der Last zu urteilen, die er auf sich spürte. Sicher war er unter
irgendwelchen Trümmern begraben worden.
Etwas hatte ihn am Kopf getroffen. Die Schmerzen in seinem Schädel zogen weit
in sein Rückgrat hinunter und ließen ihn keuchen. Aber was ihn nicht sofort
umbrachte, würde sein Körper zügig heilen.
Versuchsweise bewegte er Finger und Zehen. Alles noch dran , dachte er
erleichtert. Die Regeneration ganzer Körperteile gehörte mit zu dem Programm,
das er vor Jahren mit Jans Blut in sich aufgenommen hatte. Doch sie zog sich,
je nach Größe der verlorenen Gliedmaßen, über viele Monate hin. Seine Arme und
Beine konnte er nicht rühren. Sie waren festgeklemmt, wovon auch immer.
Was war passiert?
Eine Gasexplosion vielleicht?
Seinem Empfinden nach musste es mehrere Stunden her sein, seit er in den
kleinen Laden gegangen war. Sicher war es draußen mittlerweile hell. Wie
furchtbar für Jan! Er war verschüttet und Jan konnte nichts tun, solange es Tag
war, hatte keine Ahnung, wie es ihm ging.
Zumindest würde Jan ihn spüren.
Bewusst
entspannte Thomas seine Muskeln, was ihm das Atmen ein wenig erleichterte. Er
konzentrierte sich auf seinen Bluttrinker, versuchte ihm ein beruhigendes
Gefühl zukommen zu lassen – und erschrak, als seine telepathischen Fühler ins
Leere tasteten. Jan war fort, als hätte es ihn nie gegeben! Zum ersten Mal,
seit er zu sich gekommen war, überkam ihn echte Panik.
Jan konnte doch
nicht einfach verschwinden! Selbst Entfernungen von Hundert Kilometern
schwächten die Verbindung nicht spürbar.
Es gab dafür eigentlich nur eine Erklärung!
Halt, rief Thomas sich zur Ordnung. Es gab noch eine Andere.
Wenn Jan tief bewusstlos wäre, könnte er ihn auch nicht fühlen. Er musste nicht
tot sein!
Aber was war geschehen? War der ganze Häuserblock eingestürzt?
Grade begann er sich zu wundern, wie frisch die Luft sich anfühlte. Kein Staub,
der sich in seinen Lungen festsetzte. Nur ein schwacher Geruch nach Chemie.
Gleißendes Licht
flammte auf. Geblendet kniff er die Augen zusammen.
„Ah, sehr schön, wir sind wach!“
Die Stimme näherte sich ihm schnell und wurde von eiligen Schritten begleitet.
Blitzartig kehrte Thomas Erinnerung zurück. Kein Unglück. Man hatte ihn
niedergeschlagen.
Er begriff, dass er ein Gefangener war. Die arrogante Stimme gehörte seinem
Gefängniswärter. Aber wer auch immer das war, es war offensichtlich ein
Sterblicher. Bluttrinker machten keinen solchen Lärm.
Weitere Schritte folgten den Ersten. Die klackernden Absätze verrieten eine
Frau.
Thomas blinzelte versuchsweise. Undeutlich erkannte er den viereckigen Umriss
einer großen Lampe, die ihn an Zahnarztbesuche in seiner Kindheit erinnerte. Er
konnte den Kopf kaum drehen, etwas Kaltes an seinen Wangen hinderte ihn
Weitere Kostenlose Bücher