Lebenselixier
stark vermehren.“
„Nein!“, sagte Tony.
„Was, nein? So ist es eben!“
„Das ist es nicht, wonach ich dich gefragt habe. Ich will die Geschichte hören,
über die ihr nicht reden wollt. Sogar Jan war unangenehm berührt. Ich bitte
dich! Warum sollten ihm meine oder Noras fruchtbare Phasen peinlich sein? –
Davon abgesehen, dass meine fruchtbaren Phasen dich von gar nichts abhalten.“
Lukas tippte sich an die Nase. „Ich weiß ganz genau, wann du fruchtbar bist,
Tony.“
„Wahrscheinlich stimmt das sogar. Nur, dass es dich nicht davon abhält, mit mir
zu schlafen. Im Gegenteil. Ich glaube, du lässt dir die Gelegenheit ungern
entgehen. Du findest den Geruch richtig geil, hab ich recht?“
Lukas legte die Stirn in Falten. „Ich werde nächste Woche vierundzwanzig. Ich
stecke mitten in der Ausbildung. Bis ich einigermaßen vernünftig bezahlt werde,
vergehen noch zwanzig Jahre. Ohne die Unterstützung meiner Eltern müssten wir
zusehen, wie wir in irgendeiner schlecht ausgestatteten Menschenwohnung
zurechtkommen. Du kannst Gift drauf nehmen, dass ich es die nächsten hundert
Jahre ganz bestimmt nicht darauf anlegen werde dich zu schwängern. Klar?“
„Hundert Jahre? Das ist nicht dein Ernst!“
Tonys entsetzter Protest versetzte ihm einen Stich. Aber er konnte hierbei
keine Zugeständnisse machen. Dafür gab es gute Gründe. Nur, dass er ihr die
Wichtigsten nicht nennen würde.
„Ich weiß auch, wann ich fruchtbar bin. Damit du Bescheid weißt“, presste Tony
hervor. Widerstreitende Gefühle machten ihr die Kehle eng. „Ich habe ein
Thermometer. Die Zeitabstände sind anders als früher, aber die
Temperaturerhöhung ist viel deutlicher. Ich bin auf deine Nase nicht
angewiesen.“
„Du hast das nachkontrolliert?“ Lukas klang beleidigt. „Warum?“
Tony starrte aus dem Seitenfenster. In der Dunkelheit flogen die Leuchtreklamen
eines Industriegebietes vorbei.
„Es war nur ein Versuch. Ich hätte kaum geglaubt, dass es funktioniert. Es hat
mich genervt, dass mein Zyklus jetzt so unregelmäßig ist. Also hab ich
angefangen zu messen. Und plötzlich, beinahe erhöhte Temperatur. Da stehst du
auch schon auf der Matte und kannst mich gar nicht schnell genug ins Bett
kriegen. – Du riechst das nicht nur, oder? Du spürst es, so wie ich es spüre,
wenn du Blut brauchst. Über Kilometer hinweg.“
„Ja, du hast recht“, gab er missmutig zu. Sein Fuß tippte das Gaspedal an. Er
ließ den Tempomat des Volvo bei 200 Stundenkilometern einrasten.
„Und warum muss ich dir das erst aus der Nase ziehen?“
Lukas antwortete nicht. Er tat beschäftigt, blickte konzentriert in die
Spiegel.
Tony gab ein verärgertes Schnauben von sich. „Jetzt tu nicht so, als wäre
Autofahren und reden zu viel für dich. Du könntest doch nebenher noch drei oder
vier andere Sachen machen, ohne den Überblick zu verlieren. Die ganze Welt
läuft für dich doch wie in Zeitlupe ab.“
Lukas schüttelte genervt den Kopf. „Tony, ich ...“ Er verstummte. Was konnte er
sagen? Dass er nur versuchte verantwortungsbewusst zu sein? Dass er sie
schützen wollte? Alles, was ihm in den Sinn kam, würde den Ärger seiner
Gefährtin mit Sicherheit noch vergrößern.
Auch Tony schwieg eine Weile und Lukas vermied es, sie anzusehen.
„Ich kann nicht
hundert Jahre auf ein Baby warten, Lukas.“ Die Wut war aus ihrer Stimme
gewichen. „Für dich mag das normal sein, aber ich kann mir eine so lange Zeit
nicht einmal vorstellen. Der Gedanke, dass wir dann noch leben werden, ist ...
irgendwie absurd.
Findest du es in Ordnung, dass du Dinge darüber weißt, wie mein Körper
funktioniert, und ich nicht?“, fuhr sie ihn mit neu erwachendem Zorn an. „Was
denkst du, wie ich mich dabei fühle? Nimmst du mich eigentlich ernst? Oder bin
ich nur ein Anhängsel von dir?“
„Tony, Nora und ich haben dir darüber, wie dein Körper sich als Gefährtin
verändert, alles gesagt, was es zu wissen gibt. Ich enthalte dir keine
Informationen über dich vor. Das ist die Wahrheit! Und natürlich bist du kein
Anhängsel. Du bist das Wichtigste in meinem Leben. Aber du musst zugeben, dass
du unvernünftig bist, was diese Kindergeschichte angeht. Du hast noch gar keine
Zeit gehabt, dich an den Gedanken zu gewöhnen, unsterblich zu sein.“
„Unsterblich?“, versetzte Tony. „Ich kann mir nicht helfen. Ich glaube nicht,
dass Jan sich im Augenblick sonderlich unsterblich vorkommt.“
Lukas seufzte frustriert. „Was Jan passiert ist, ist furchtbar. Aber du
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