Lebenselixier
an. Er hörte, wie Hannah die Luft
einsog und beobachtete Walser, dem der Unterkiefer runterklappte.
Neugierig geworden machte Helmut einen Schritt nach vorne, um besser sehen zu
können. Die dunkleren Kreise hellten sich mehr und mehr auf. Schließlich hatte
er den Eindruck, dass ein Leuchten von ihnen ausging, kurz bevor die Zellen
sich wieder voneinander trennten.
Walser sprang erregt von seinem Stuhl auf.
„Ist es das, wovon ich denke, dass es das ist?“
Das Grinsen des Assistenten reichte von einem Ohr zum anderen.
„Die beschädigten Zellen werden vollständig regeneriert. Die vampirischen
Zellen entnehmen die Energie, die sie dazu benötigen, dem Verdauungstrakt ihres
Trägers. Der Energiebedarf scheint recht hoch zu sein, aber es wird kein Blut angegriffen.
Weder das des Wirtes noch fremdes Blut.“
„Warum haben wir diesen Vorgang bei den Vampiren nie beobachten können?“,
fragte Hannah dazwischen. „Sie regenerieren sich doch auch.“
„Offenbar ist jede Körperzelle eines Vampirs von sich aus fähig sich zu
regenerieren, oder durch extrem schnelle Zellteilung zu ersetzen. Bei unserem
aktuellen Gefangenen ist das anders. Die aufgenommenen vampirischen Zellen
müssen seine eigenen Körperzellen erst dazu anregen, sich zu regenerieren. Sie
laden sie quasi auf, bis sie sich wie die Zellen eines Vampirs verhalten.“
Keuchend ließ Walser sich auf seinen Sitz zurücksinken.
„Das ist es!“, flüsterte er. Seine Augen glänzten wie im Fieber. „Das ist es!
Die Antwort auf alle Sehnsüchte der Menschheit.“ Er blinzelte, betrachtete
Cross und Hannah, als sähe er sie zum ersten Mal. „Versteht ihr nicht? Das ist
der Jungbrunnen. Das wahre Elixier des Lebens!“
26
Nachdem Lukas
seinen Vater mit ein paar undurchsichtigen Bemerkungen aus dem Zimmer gelotst
hatte, wappnete Tony sich mit den Resten ihrer Selbstbeherrschung.
„Nora, ich schwöre dir: Wenn sich nicht bald einer dazu durchringt, Klartext zu
reden, bekomme ich die Mutter aller Tobsuchtsanfälle!“
„Tony, du hast ja recht. Aber …“
„Nein“, fiel Tony ihrer Schwiegermutter ins Wort. „Ich habe recht! Punkt! Kein
aber mehr. Ich will es jetzt wissen!“
„Wir möchten es dir ja sagen, Tony. Jemand hätte dir das schon viel früher
sagen müssen. Ich fand nur immer, dass grade nicht der richtige Zeitpunkt war.
Und es war doch sowieso alles so schwierig für euch. Mit den Alten Göttern. Und
was noch alles passiert ist. Wir, Johann und ich, waren froh, dass du nicht
davongelaufen bist. Im Frühjahr, als ihr euch vereinigt habt, waren wir nur
glücklich. Wir wollten dich nicht gleich wieder erschrecken. Und ich dachte
auch nicht, dass du so bald würdest Kinder haben wollen. Ich glaubte ehrlich,
das wäre für euch moderne Frauen heutzutage gar nicht mehr so wichtig.“
Tony kämpfte
gegen ein plötzliches Schwindelgefühl an. Ihre Befürchtungen trafen also zu.
Sie hatten ihr etwas verschwiegen, etwas wirklich Wichtiges. Wie konnten sie
nur? Sie hatte ihnen vertraut!
„Dann sag es mir! Was ist das Problem? - Ist es gefährlich? Kann ich dabei
sterben?“
Dieser Gedanke erschien ihr noch am naheliegendsten. Alle hatten immer wieder
erwähnt, dass die Fortpflanzung für Bluttrinker mit gewissen speziellen
Problemen verbunden und Nachwuchs deshalb selten war. Bisher hatte Tony
geglaubt, das bezöge sich auf die Zeugung. Wenn Lukas befürchten sollte, durch
eine Schwangerschaft ihr Leben zu gefährden, könnte sie ihm seine wütende
Abwehr nachsehen.
„Nein“,
antwortete Nora. „Da kann ich dich beruhigen. Es könnte – unangenehm werden.
Aber es ist noch keine Gefährtin dabei gestorben. Da bin ich mir sicher.“
Auf Tonys Stirn bildete sich eine steile Falte. Wenn Nora mit etwas nicht
rausrücken wollte, griff sie zu dieser ärgerlichen Angewohnheit, sich so
verquer auszudrücken, dass man kaum verstand, wovon sie redete.
„Nora, es würde wohl niemand erwarten, dass eine Geburt sich sonderlich
angenehm anfühlt.“
Nora antwortete nicht. Sie starrte die Krümel auf ihrem Teller an.
Ging es gar nicht um die Geburt? Einen Augenblick zweifelte Tony, dann siegte
ihr Ärger.
„Ach, komm, Nora! Was willst du mir erzählen? Ich schlafe seit einem Jahr mit
Lukas. Er lebt von meinem Blut. Ich habe seine Halsschlagader aufgebissen und
literweise sein Blut getrunken. Wenn du mir Angst machen willst, musst du dir
was Anderes einfallen lassen!“
„Das war ja grade unser Fehler, dass wir dir keine Angst machen wollten. Was du
mit
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