Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebenslänglich

Lebenslänglich

Titel: Lebenslänglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
Vom Netzwerk:
sich die Tränen ab.
    «Vielleicht gibt es ja auch was Süßes, wenn man sich nicht geklemmt hat», sagte Kalle.
    «Erst müsst ihr aufessen», sagte Thomas, «aber hinterher dürft ihr in meine Tasche gucken.»
    «Hurra!», rief Kalle und wedelte mit dem Besteck, sodass ein Spritzer Bratensoße auf der Tapete landete.
    «Ach Kalle!», sagte Thomas. «Schau, was du gemacht hast!»
    Sofia stand auf, holte einen sauberen Wischlappen und putzte die Wand ab. Es hatte sich bereits ein Fleck gebildet.
    «Du sollst beim Essen still sitzen», schimpfte Thomas, und Kalle krümmte sich unter seinem Blick.
    Sie aßen schweigend.
    «Darf ich aufstehen?», fragte Kalle und legte das Besteck weg.
    «Warte, bis deine Schwester fertig ist», sagte Thomas, und der Junge stöhnte.
    «Aber die isst doch so langsam.»
    «Bin schon fertig», sagte Ellen und schob die halbaufgegessene Portion von sich.
    «Okay», sagte Thomas und atmete stumm und erleichtert auf, als die Kinder den Tisch verließen und in die Diele rannten.
    Er sah Sofia an und lächelte. Sie lächelte zurück. Sie ließen die Gläser klingen.
    «Das nenne ich Lebensqualität», sagte sie und blickte ihm tief in die Augen, während sie tranken.
    Er antwortete nicht, betrachtete nur ihr schimmerndes blondes Haar und die hellen Augen.
    Wurst und Tütenpüree. Lebensqualität?
    «An Feiertagen die Welt zum Strahlen zu bringen ist ja keine Kunst», fuhr sie fort.
    «Um so einen normalen Dienstag wie diesen hier muss man sich bemühen. Das Strahlen im Alltag, das ist es, was zählt.»
    Er blickte auf den Tisch hinunter, es war klar, dass sie recht hatte.
    Und warum werde ich dann verlegen? Warum denke ich, ‹nur Phrasem?
    «Denkst du an die Arbeit?», fragte sie und legte die Hand auf seinen Arm. Er sah sie an.
    «Natürlich», sagte er. «Morgen verkündet das Amtsgericht Örebro das erste Gnadenurteil.» Sie sah ihn fragend an. «Gnadenurteil?»
    Er wollte schon weitersprechen, aber dann wurde ihm klar, dass sie es nicht wusste. Sie war über die Veränderungen im Rechtswesen nicht informiert.
    Natürlich nicht, wieso sollte sie auch?
    «Früher konnte nur die Regierung eine lebenslängliche Haftstrafe in eine Zeitstrafe umwandeln, wenn ein Gnadengesuch eingereicht wurde, aber diese Regelung war nicht rechtssicher. Die Regierung musste keine Begründung für ihre Entscheidungen geben, und sie waren auch nicht revisionsfähig. Seit einiger Zeit können lebenslänglich Verurteilte sich auch an das Amtsgericht Orebro wenden, um ihre Gnadengesuche prüfen zu lassen, und dazu werden sie von einem Rechtsbeistand vertreten und erhalten auch eine gerichtliche Urteilsbegründung. Das erste Urteil wird morgen gesprochen.» Er trank einen Schluck Wein.
    «Es würde mich nicht überraschen, wenn der Antrag abgewiesen wird», sagte er. «Es wäre nicht von Vorteil, wenn schon der erste Fall signalisierte, dass es viel einfacher ist, sein Gesuch in Orebro durchzusetzen als bei der Regierung.»
    «Aber», sagte sie, «wieso gerade Orebro?» Er lächelte sie an.
    «Wo sind die größten Gefängnisse?» «Welche Gefängnisse?»
    «Kumla und Hinseberg. Die größten Haftanstalten für Männer und für Frauen. Wo liegen die?» Sie machte große Augen. «Im Län Orebro?» «Bingo!»
    Sie lachte laut auf.
    «Stell dir vor», sagte sie, «das wusste ich nicht. Ich lerne so viel, wenn ich mit dir zusammen bin!»
    Er sah zu den Kindern hinüber, die in der Diele saßen und Bonbons unter sich aufteilten.

Er hatte dieselbe Diskussion mit Annika gehabt, vor langer Zeit, als die Ansiedlung des neuen Gnadeninstituts sich noch im Erörterungsstadium befand. Sie hatte ebenfalls Örebro als geeigneten Ort in Frage gestellt, und er hatte damals dasselbe gefragt: «Wo sind die größten Gefängnisse?»
    «Quatsch», hatte Annika geantwortet. «Wenn die Gefangenen so weit sind, dass sie ein Gnadengesuch einreichen können, sitzen sie nicht mehr in Kumla oder Hinseberg.
    Dann sitzen sie in einer offenen Anstalt irgendwo in der Einöde und warten darauf, resozialisiert zu werden. Dieser ganze Apparat wird nur deshalb in Örebro platziert, weil der Minister dort seinen Wahlkreis hat.»
    Er erinnerte sich noch, wie baff er gewesen war, denn auf die Idee war er gar nicht gekommen.
    «Das ist doch reine Spekulation», hatte er geantwortet, und sie hatte mit den Schultern gezuckt.
    Jetzt sah er wieder Sofia an.
    «Und du?», fragte er. «Wie geht's dir?»
    «Heute ist was total Witziges passiert», sagte sie, und

Weitere Kostenlose Bücher