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Lebenslänglich

Lebenslänglich

Titel: Lebenslänglich
Autoren: Liza Marklund
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hat heute ihren freien Tag, deshalb muss ich mir meinen Kaffee selber holen. Wie möchten Sie Ihren?»
    Nina starrte ihn an. Wovon redete er? «Danke, ich möchte nichts», sagte sie und betrat das Zimmer.
    Das Dienstzimmer des Kriminalkommissars, das sich im zweiten Stock des Polizeipräsidiums in Kungsholmen befand, war nahezu spartanisch, so unpersönlich eingerichtet war es. Der Raum hatte noch nicht mal Gardinen. Eine tote Topfpflanze stand verloren in der Fensternische; Nina vermutete, dass sie schon zum Mobiliar gehört hatte, als der Kommissar einzog.
    Sie wartete ein paar Minuten im Stehen, während der Kommissar den Korridor hinunter zum Automaten ging.
    «Der Stuhl ist nicht vermint», sagte er, als er mit dem dampfenden Plastikbecher in der Hand zurückkam.
    Nina setzte sich auf den abgenutzten Besucherstuhl und fühlte sich extrem unbehaglich.
    Sie hatte von Kommissar Q gehört, obwohl er bei weitem nicht so berühmt war wie David Lindholm. Im Gegensatz zu David war er auch nicht allenthalben beliebt. Viele Kollegen hielten ihn nicht zuletzt wegen seiner seltsamen Kleidung für einen Spinner; da er außerdem offenbar ein Experte für Schlager war, ging das hartnäckige Gerücht, er sei schwul.
    Q ließ sich auf der anderen Seite des Schreibtisches nieder.
    «Das war ja ein lustiger Zufall», sagte er und blies in seinen Kaffee. «Was denn?», fragte Nina.
    «Dass gerade Sie in ausgerechnet diesen Tatort hineinstolpern.»
    «Ist das ein Verhör?», erwiderte Nina und reckte das Kinn ein wenig. Der Kommissar hob die Arme.
    «Bewahre!», sagte er. «Betrachten Sie es als Gespräch unter Kollegen. Ich bin nur neugierig auf diejenigen Ihrer Eindrücke, für die es keine eigene Spalte im RAR gibt.»
    Nina versuchte, sich zu entspannen; dafür, dass er ein hochrangiger Polizist war, benahm er sich wirklich extrem eigenartig.
    «Was wollen Sie wissen?», fragte sie.
    «Was ging Ihnen durch den Kopf, als die Meldung über Funk kam?»
    Die Bondegatan ist lang, da wohnen bestimmt tausend Menschen.
    Sie blickte aus dem Fenster.
    «Gar nichts», sagte sie. «Wieso sollte ich irgendwas Besonderes gedacht haben?»
    Der Mann auf der anderen Seite des Schreibtisches drehte seinen Kaffeebecher zwischen den Fingern und musterte sie eine ganze Minute lang schweigend. Nina merkte, wie ihre Zunge im Mund schwoll, und spürte eine unbezähmbare Lust, sich die Lippen zu lecken.
    «Wissen Sie was?», sagte Q schließlich, und seine Stimme klang nun müde und gedämpft. «Ich denke, Sie lügen. Ich denke, Sie wissen wesentlich mehr als das, was Sie bisher protokolliert haben, weil Sie Ihre beste Freundin schützen wollen. Aber glauben Sie mir, Sie helfen damit niemandem. Wenn ich eine reelle Chance haben soll, dieses Durcheinander aufzuklären, dann muss ich wissen, was passiert ist.»
    Nina bemühte sich, den Rücken gerade zu halten, und nickte. Das leuchtete ein.
    «Ich habe David Lindholm gekannt», sagte Q. «Besser als die meisten anderen. Sagen wir es mal so: Ich würde all diese Lobeshymnen nicht ohne weiteres unterschreiben.»
    Sie blickte den Kommissar überrascht an.
    «Was meinen Sie damit?»
    «Wir haben die Polizeiausbildung zusammen gemacht. Warum David sich dafür entschied, ist eines der ungelösten Rätsel des Lebens. Er interessierte sich keine Spur für die Polizeiarbeit, wollte immer nur Extremsport machen und Weiber abschleppen.»
    Er beobachtete Nina, wohl um zu sehen, wie sie reagierte.
    «Das gehört vermutlich in dem Alter dazu», sagte sie.
    «Er konnte manchmal auch richtig gewalttätig werden, ging viel zu hart ran. Haben Sie das im Dienst auch so erlebt?»
    «Ich habe nie mit David zusammengearbeitet. Er hatte den Außendienst schon lange hinter sich, als Julia und ich ihn kennenlernten.»
    Q seufzte und beugte sich über die Schreibtischplatte.
    «Ja, ja», sagte er. «Aber es gibt im Moment Wichtigeres als David Lindholms Charaktereigenschaften und Julias Schuld, und das ist der Sohn der beiden. Haben Sie eine Ahnung, wo Alexander sein könnte?»
    Nina strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr.
    «Julias Eltern wohnen in Sörmland», sagte sie, «auf einem Hof bei Katrineholm. Sie kümmern sich manchmal um Alexander, aber da ist er nicht. Ich habe gestern mit ihnen gesprochen …»
    «Es waren Julias Eltern, die den Jungen vermisst gemeldet haben», sagte Q.
    Nina saß ganz still.
    «Davids Vater ist schon lange tot, und seine Mutter lebt in einem Pflegeheim, mit ihr habe ich nicht gesprochen, aber
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