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Lebenslänglich

Lebenslänglich

Titel: Lebenslänglich
Autoren: Liza Marklund
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dort ist er sicher nicht. Julia hatte eigentlich keinen näheren Kontakt zu ihren Nachbarn und auch nicht zu den Erzieherinnen im Kindergarten, aber vielleicht hat er ja trotzdem bei einer von ihnen übernachtet…»
    «Der Junge war die ganze letzte Woche nicht im Kinder garten. Seit vergangenen Freitag hat ihn niemand mehr gesehen, weder das Personal dort noch irgendwelche Eltern.»
    Das hier ist schlimmer als alles, was man sich vorstellen kann. Wie konnte es nur so weit kommen?
    «Also was, glauben Sie, ist… passiert?»
    «Hatten die Lindholms Probleme in ihrer Ehe?»
    Nina senkte den Blick.
    «Das kann man wohl sagen», erwiderte sie.
    «So große Probleme, dass Julia David verlassen wollte? Dass sie irgendeine Art Flucht vorbereitete?»
    «Ich weiß nicht», sagte Nina.
    Der Kommissar lehnte sich noch weiter nach vorn und bohrte seinen Blick in sie.
    «Könnte sie den Jungen versteckt haben?», fragte er. «Kann es sein, dass er am Leben ist, irgendwo eingesperrt?»
    Sie schluckte hart und sah aus dem Fenster.
    Könnte Julia so etwas getan haben? Könnte sie Alexander eingesperrt haben und dann nach Hause gefahren sein, um David zu erschießen?
    «Seit dem Mord sind dreißig Stunden vergangen», sagte Q. «Langsam wird die Zeit knapp. Falls der Junge keine Möglichkeit hat, an Wasser zu kommen, bleibt uns ein Tag, um ihn zu finden, allerhöchstens zwei. Ich hoffe, Sie begreifen, wie ernst die Lage ist.»
    Ein Luftzug von der Tür her ließ sie frösteln.
    «Julia hat eine Sommerhütte», sagte sie. «Im Wald bei Katrineholm, sie mietet sie von Nachbarn ihrer Eltern. Sie sind nicht sehr oft dort, David findet es zu primitiv, aber Julia ist ganz vernarrt in das Häuschen …»
    Sie verstummte, als sie merkte, dass sie in der Gegenwartsform gesprochen hatte.
    Kommissar Q machte sich Notizen.
    «Sie mietet sie also? Deswegen haben wir im Liegen schaftsregister nichts gefunden», sagte er. «Wo genau ist das?»
    «Im Wald oberhalb von Floda, auf halbem Weg nach Granhed», sagte Nina. «Ich kann es Ihnen aufzeichnen …»
    Er reichte ihr Papier und Stift, und sie skizzierte eine einfache Wegbeschreibung zu Julias Hütte.
    «Die Stelle heißt Björkbacken», sagte sie, «aber es gibt kein Schild. Die Hütte ist von der Straße aus nicht zu sehen, und der Briefkasten steht in Floda. Aber gleich hinter der Abzweigung steht ein alter Meilenstein, das ist eigentlich eine Metallplatte, auf der steht, wie weit es zur Kirche in Floda ist. Sie können ihn nicht verfehlen.»
    Sie schob dem Kommissar das Blatt über den Schreibtisch.
    «Wie oft ist sie denn so dahin gefahren?»
    Nina überlegte.
    «Weiß nicht», sagte sie dann. «Der Kontakt zwischen uns war in den letzten Jahren nicht so gut…» «Warum nicht?», fragte Q rasch. Nina zögerte.
    «David», sagte sie. «Wir … haben uns nicht besonders verstanden.» «Und woran lag das?»
    Sie blickte zu dem toten Topfgewächs hinüber, erinnerte sich, wie Julia und sie David zum ersten Mal begegnet waren.
    Er kam als Referent an die Polizeihochschule, zivil gekleidet in Jeans und weißem T-Shirt und mit derben Cowboystiefeln an den Füßen. Seine Haare waren kurz geschnitten und unordentlich, und er trug einen Dreitagebart.
    Sie erinnerte sich an den glühenden Enthusiasmus ihres Lehrers.
    Eigentlich hätten wir uns heute mit Maßnahmen zur Vorbeugung von Verbrechen mit rassistischem Schwerpunkt befassen sollen, aber da wir nun die Chance haben, David Lindholm vortragen zu hören, sind wir natürlich sehr froh darüber…
    Einige andere Lehrer hatten sich ebenfalls im Vorlesungssaal eingefunden, was sehr ungewöhnlich war.
    David hatte sich auf den Tisch ganz vorne im Saal gesetzt, der eine Stiefel pendelte lässig hin und her, der andere stand fest auf dem Boden. Er beugte sich vor, einen Ellbogen auf den Oberschenkel gestützt. Seine Haltung strahlte Lässigkeit und gleichzeitig Autorität aus.
    Julias Flüstern war ein warmer Hauch an ihrem Ohr.
    Was für ein Kerl! Er sieht in Wirklichkeit viel besser aus als im Fernsehen …
    Die Vorlesung war faszinierend, eine der besten während der ganzen Ausbildung.
    David sprach über die Kunst, mit Kriminellen in extrem angespannten Situationen zu verhandeln, beispielsweise bei Geiselnahmen. Er beschrieb Situationen und Handlunsgverläufe so, dass die Zuhörer in den Bankreihen Mund und Ohren aufsperrten, und wechselte mit derselben natürlichen Souveränität zwischen tiefem Ernst und halsbrecherischem Witz. Sein Lächeln war
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