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Lebenslügen / Roman

Lebenslügen / Roman

Titel: Lebenslügen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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statt verkohlte Nachbarn wiederzubeleben, so dass Reggie hoffen konnte, nicht auch noch für den Tod aller Hausbewohner verantwortlich zu sein. Reggies Leben war wie die trojanische Ebene, übersät mit Toten.
    »Was ist passiert?«, fragte sie einen Jungen, der ehrfurchtsvoll auf die Überreste der Katastrophe schaute.
    »Es hat gebrannt«, sagte er.
    »Ja, du Dummkopf. Aber was ist passiert?«
    Ein anderer Junge mischte sich ein und sagte aufgeregt: »Jemand hat Benzin durch den Briefschlitz gegossen.«
    »Von welcher Wohnung?« Bitte, sag nicht Nummer acht, dachte sie.
    »Nummer acht.«
    Reggie dachte an die Bücher, die auf dem Wohnzimmerboden lagen wie ein Lagerfeuer, das darauf wartete, angezündet zu werden. Alle ihre Hausaufgaben, Danielle Steel, Mums winzige Teekannen. Vergil, Tacitus, der gute alte Plinius (der Jüngere und der Ältere), alle Penguin Classics, die sie aus Wohlfahrtsläden gerettet hatte. Fotos.
    »Oh«, sagte Reggie. Ein leiser Laut. Ein leiser runder Laut. Gewichtslos wie ein Zaunkönig. Ein Hauch. »Ist jemand verletzt?«
    »Nee«, sagte der erste Junge enttäuscht.
    »Reggie!«, sagte Mr. Hussain, der sich plötzlich aus der Menge löste. »Alles in Ordnung?«
    Ein Fetzen schwarzen Papiers schwebte langsam vom Himmel wie eine schmutzige Schneeflocke. Mr. Hussain hob ihn auf und las laut: »Fühlt das Herz der Geliebten noch schlagen unter der Rinde.«
    »Klingt nach Ovid«, sagte Reggie.
    »Ich habe mir Sorgen gemacht, dass du im Haus bist«, sagte Mr. Hussain. »Komm in den Laden. Ich mache dir eine Tasse Tee.«
    »Nein, wirklich, ich bin okay. Trotzdem danke, Mr. Hussain.«
    »Sicher?«
    »Ich schwör’s.«
     
    Ein Feuerwehrmann, der aussah, als trüge er die Verantwortung, kam aus dem Haus und sagte zu einem Polizisten: »Alles klar da drin.« Die Feuerwehrleute begannen den dicken Schlauch aus dem Hof zu ziehen. Reggie sah den gutaussehenden indischen Polizisten, der sie fragend anblickte, als würde er sie kennen, wüsste jedoch nicht, woher. Sie wandte sich ab, bevor es ihm einfiel.
    Sie schlug den Kragen hoch, verkroch sich in der Jacke und schritt forsch aus, Sadie im Schlepptau. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie wollte, sie ging einfach nur, weg von der Wohnung, weg aus Gorgie. Es dauerte eine Weile, bis sie merkte, dass sie von einem weißen Kombi verfolgt wurde, der neben dem Randstein auf wirklich unheimliche Weise hinter ihr herfuhr. Sie beschleunigte, der Wagen ebenso. Sie begann zu laufen, Sadie hüpfte aufgeregt neben ihr, als wäre es ein Spiel. Der Wagen fuhr schneller und schnitt ihr an der nächsten Kreuzung den Weg ab. Blondie und Rotkopf stiegen aus. Sie befleißigten sich eines o-beinigen, federnden Gangs, wie Affen.
    Sie bezogen bedrohlich nahe bei ihr Stellung, sie roch Rotkopfs Atem, er roch nach Fleisch wie der eines Hundes. Aus der Nähe war Blondies Haut noch schlimmer, mit Löchern und Narben überzogen wie ein unfruchtbarer Mond.
    »Bist du Reggie Chases Schwester Billy?«, fragte Blondie.
    »Wessen Schwester?«, fragte Reggie und runzelte unschuldig die Stirn. Als wüsste sie es nicht, als wäre sie nicht die arme Reggie Chase, Schwester des pfiffigen Gannefs. (Als wäre sie nicht alle unerwünschten Mädchen, die Florences, die Esthers, die Cecilia Jupes.)
    »Die Schwester des kleinen Scheißkerls Reggie Chase«, sagte Rotkopf ungeduldig. Sadie begann auf seinen Tonfall hin zu knurren, und die beiden Männer schienen den Hund erst jetzt zu bemerken, sehr spät angesichts seiner Größe, doch andererseits sahen sie auch nicht aus, als hätten sie vorn in der Reihe gestanden, als die Gehirne ausgegeben worden waren.
    Rotkopf trat einen Schritt zurück.
    »Sie ist ein ausgebildeter Kampfhund«, sagte Reggie voller Hoffnung. Sadie knurrte wieder.
    Blondie trat einen Schritt zurück.
    »Richte deinem Bruder was aus«, sagte Rotkopf. »Sag der kleinen Fotze, wenn er die Ware nicht rausrückt, wenn er nicht zurückgibt, was ihm nicht gehört, dann –« Er fuhr sich mit der Handkante über den Hals. Die beiden hatten ein Faible dafür, Waffen pantomimisch darzustellen.
    Sadie begann, auf eine Weise zu bellen, die auch Reggie beunruhigend fand, und Blondie und Rotkopf zogen sich in ihren Wagen zurück. Rotkopf kurbelte das Fenster herunter und sagte, »Gib ihm das«, und warf ihr etwas zu. Ein weiterer Loeb, diesmal ein roter, die Aeneis, Erster Gesang. Das Buch flog mit flatternden Seiten durch die Luft und traf Reggie voll am Backenknochen, bevor es auf

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