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Lebenslügen / Roman

Lebenslügen / Roman

Titel: Lebenslügen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Street, und der Blumenhändler sollte etwas für sie zusammenstellen, etwas Elegantes. Blau für das Wohnzimmer – ein Arrangement in einem Korb für den Kaminsims –, ob er Rittersporn hätte? War es zu spät für Rittersporn? Natürlich war es gleichgültig, welche Jahreszeit gerade war, Floristen bekamen ihre Blumen nicht aus Gärten, sondern aus Treibhäusern in Holland. Und Kenia. Sie züchteten Blumen in Kenia, wo es wahrscheinlich nicht genügend Trinkwasser für die Menschen gab, ganz zu schweigen, um Blumen zu wässern, und dann flogen sie die Blumen hierher in Flugzeugen, die tonnenweise Kohlendioxid in der Atmosphäre abluden. Es war falsch, aber sie brauchte Blumen.
    Konnte man Blumen brauchen? Als sie bei Alistir Tait in der Rose Street die Verlobungsringe kauften, sagte Patrick zu dem Juwelier: »Diese schöne Frau braucht einen großen Diamanten.« Im Nachhinein klang es abgeschmackt, aber damals war es charmant gewesen. Mehr oder weniger. Patrick hatte sich für einen alten Stein in einer neuen Fassung entschieden, und Louise fragte sich, welcher arme Kerl ihn vor langer Zeit aus dem Herzen der Finsternis ausgegraben hatte. Blut an ihren Händen.
    Patrick war Orthopäde und Chirurg und daran gewöhnt, das Sagen zu haben. »In der Orthopädie geht es vor allem um Hammer und Meißel, es ist eine höhere Form von Tischlerei«, scherzte er, als sie sich kennenlernten, aber er war eine Koryphäe und hätte mit einer Privatpraxis wahrscheinlich ein Vermögen gemacht, doch stattdessen verbrachte er seine Zeit damit, gesetzlich versicherte Patienten mit Nägeln wieder zusammenzufügen. (»Da holt einen der Meccano-Baukasten aus der eigenen Kindheit ein.«)
    Louise hatte Ärzte nie gemocht, niemand, der mit Medizinstudenten an einer Universität studiert hatte, würde je einem Arzt trauen. (War Joanna Hunter die Ausnahme von der Regel?) Und wie wählten sie Medizinstudenten aus? Sie nahmen Mittelklassekinder, die gut in Naturwissenschaften waren, und brachte ihnen sechs Jahre lang mehr Naturwissenschaften bei, und dann ließen sie sie auf Menschen los. Menschen waren keine Naturwissenschaften, Menschen waren Chaos. »Tja, das ist eine Art, es zu sehen«, sagte Patrick und lachte.
    Sie hatten sich anlässlich eines Unfalls kennengelernt, wie sonst lernten Polizisten Leute kennen? Zwei Jahre zuvor war Louise auf der M8 nach Glasgow zu einer Besprechung mit der Polizei von Strathclyde gefahren, als sie den Zusammenstoß auf der Gegenfahrbahn passieren sah.
    Sie war die Erste am Unfallort, noch vor den Krankenwagen, aber sie konnte nichts tun. Ein Sattelschlepper war hinten auf einen dreitürigen Kleinwagen gekracht, zwei Babysitze auf dem Rücksitz, die Mutter am Steuer, ihre kleine Schwester auf dem Beifahrersitz. Der Wagen hatte in einer Schlange an einer Ampel gestanden, die wegen Straßenbauarbeiten vorübergehend aufgestellt war. Der LKW -Fahrer hatte das Warnschild für die Bauarbeiten und die Schlange an der Ampel nicht und den Kleinwagen vor ihm nur flüchtig gesehen, bevor er ihn mit neunzig Stundenkilometern rammte. Der LKW -Fahrer schrieb gerade eine SMS . Ein Klassiker. Louise verhaftete ihn am Unfallort. Sie hätte ihn am liebsten an Ort und Stelle umgebracht. Oder ihn vorzugsweise mit seinem eigenen LKW langsam überfahren. Ihr fiel auf, dass sie blutrünstiger als früher war (und das wollte was heißen).
    Der Kleinwagen und alle Insassen waren vollständig zerquetscht. Weil sie die kleinste und schlankste Person am Unfallort war, hatte Louise (»Können Sie’s versuchen, Boss?«) eine Hand durch das, was früher ein Fenster gewesen war, geschoben und versucht, einen Puls zu suchen, die Leichen zu zählen, einen Ausweis zu finden. Sie hatten nicht einmal gewusst, dass sich Babys auf dem Rücksitz befanden, bis Louises Finger gegen eine winzige schlaffe Hand stießen. Erwachsene Männer weinten, darunter der Verkehrspolizist, der Opferfamilien betreute, und die gute alte Louise – in Essig gesotten – legte ihm den Arm um die Schulter und sagte, »Herrgott, wir sind auch nur Menschen«, und erklärte sich bereit, die nächsten Verwandten zu informieren, was zweifellos der mieseste Job der Welt war. Sie schien weichherziger als früher. Blutrünstig, aber weichherzig.
    Eine Woche später ging sie zur Beerdigung. Alle vier auf einmal. Es war unerträglich, aber es musste ertragen werden, denn das taten die Menschen. Sie machten weiter. Ein Schritt nach dem anderen, jeder Tag ein Kampf. Sollte

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