Lebenslügen / Roman
Absicht? Oder einfach nur Rowdys, die mit Zündholzern herumgefummelt haben?«
»Willentlich gelegtes Feuer«, ein barocker schottischer Ausdruck für Brandstiftung, und der Hauptverdächtige war Louises Ansicht nach immer der Besitzer. Das Versicherungsgeld war einfach eine zu verlockende Aussicht, wenn man Geld brauchte. Zwanzigtausend für einen Diamanten, wie viel für eine Spielhalle? Eine Spielhalle, die niemand anderem gehörte als dem Mann der schönen Dr. Joanna Hunter, Neil. (»Und was macht Mr. Hunter?«, hatte sie Joanna Hunter beiläufig bei ihrem Besuch gestern gefragt. »Ach, dies und das«, sagte Joanna Hunter leichthin. »Neil hält immer Ausschau nach der nächsten großen Gelegenheit, er ist ein geborener Unternehmer.«) Warum die schöne Dr. Hunter mit jemandem verheiratet war, der Geschäftsinteressen im (sogenannten) Schamdreieck der Bread Street mit ihren Striplokalen, zwielichtigen Kneipen und Revueetablissements hatte, darüber konnte man nur spekulieren. Sollte sie nicht mit jemand Ehrbarerem verheiratet sein – einem Orthopäden zum Beispiel?
Laut seiner Frau war Neil Hunter in der »Freizeitindustrie« tätig, eine Bezeichnung, die eine Menge Möglichkeiten abzudecken schien. In seinem Fall schienen es zwei oder drei Spielhallen, zwei Fitnessstudios (keine besonders exklusiven), eine kleine Flotte Mietautos (müde wirkende, viertürige Limousinen, die sich als »Oberklasse« ausgaben) und zwei Schönheitssalons zu sein, einer in Leith, einer in Sighthill, die den Eindruck machten, als stellten sie ein Gesundheitsrisiko dar – Louise war überzeugt, dass sich Joanna Hunter in keinem von beiden je einer Gesichtsbehandlung unterzogen hatte, das Sheraton One Spa waren sie jedenfalls nicht.
»Was wissen Sie über unseren Mr. Hunter?«
»Als er nach Edinburgh kam«, sagte Marcus, »fing er mit einem Burgerstand am Bistro Square an, wo er sowohl die Studenten als auch die Leute aus den Kneipen abfing.«
»Burgerstand. Wie stilvoll.«
»Der in den frühen Morgenstunden abbrannte, als niemand drin war.«
»Tja, das nenne ich Zufall.«
»Dann kamen eine Weinbar, ein Café, ein Catering-Service, eigentlich alles, was er ausprobieren konnte.«
»Was davon abgebrannt?«
»Das Café. Ein elektrischer Fehler.«
»Und die Spielhalle?«
»Eine Menge Benzin darin vergossen«, sagte Marcus. »Keine spontane Sache. Die Hintertür war aufgebrochen, die Alarmanlage ging los, aber als die Feuerwehr eintraf, hat es schon lichterloh gebrannt.«
»Und was hört man auf der Straße über Mr. Hunter?«
»Man hört, dass er sauber ist«, sagte Marcus. »Ein kleiner Spitzbube, aber im Großen und Ganzen ein gesetzestreuer Geschäftsmann.«
»Es sind also nur die Leute, mit denen er zu tun hat, die zwielichtig sind?«
Sie hatte bereits die Fotos gesehen, die das Betrugsdezernat geschickt hatte, nette, scharfe Fotos von Hunter, wie er im Lauf mehrerer Wochen unterschiedliche Getränke mit einem gewissen Michael Anderson aus Glasgow plus diverser Hofschranzen zu sich nahm. »Andersons Gefolge«, sagte Marcus. »Schauen Sie sich diese Typen an, Gesichter, die nur eine Mutter lieben kann.« Anderson stand in seiner Heimatstadt unter dem Verdacht des Drogenhandels, befand sich aber in seinem Luxuspenthouse so weit oben in der Nahrungskette, dass ihm die Polizei von Strathclyde bislang nichts nachweisen konnte. »Gute Anwälte«, sagte Marcus.
»Oder schlechte Anwälte, je nach Standpunkt.«
Das Betrugsdezernat glaubte, dass Anderson keine Möglichkeiten mehr hatte, sein Geld in Glasgow zu waschen, und sich in Edinburgh umschaute, um Neil Hunters »dies und das«, wie seine schöne Frau es ausgedrückt hatte, dafür in Anspruch zu nehmen. Dr. Hunter stand das Wort »Ehefrau« so viel besser als Louise.
»Wie haben Sie sich kennengelernt?«, hatte Louise sie gestern gefragt und so getan, als wäre sie der Typ Frau, der sich für romantische Anekdoten interessierte, Steve Wrights Sunday Love Songs hörte, während sie Frühstück machte und ihrem Mann ans Bett brachte, und nicht die abgebrühte Zicke, die gerade dabei war, dem Staatsanwalt einen Bericht über ihren Mann zu schicken. Joanna Hunter lachte und sagte: »Ich habe ihn in der Notaufnahme behandelt, und er hat gefragt, ob ich mit ihm zum Essen gehe.«
»Und Sie sind tatsächlich gegangen?« Louise konnte die Ungläubigkeit nicht ganz aus ihrer Stimme verbannen.
»Nein, das hätte unserem Berufsethos widersprochen.« Joanna Hunter lachte
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