Lebenssonden: Roman (German Edition)
haben. Die erste Verteidigungslinie lag in der Konstruktion der Schiffe selbst. Die Ingenieure hatten die Sternenschiffe bei kritischen Subsystemen mit drei- und fünffacher Redundanz ausgestattet. Außerdem hatte jedes Schiff genügend Ersatzteile dabei, um den Sternenantrieb im Notfall zu reparieren – einschließlich der Haupt-Feldspulen, die ein integraler Bestandteil der Schiffe selbst waren. Und in einer Anwandlung von übersteigertem Sicherheitsbedürfnis führte jedes Schiff in der Hangarbucht einen FTL-fähigen Cutter mit. Ein Schiff, das zwischen den Sternen in Raumnot geraten war, konnte den Cutter entsenden, um Hilfe zu holen. So lautete zumindest die Theorie.
Leider würde sich das in der Praxis als undurchführbar erweisen. Ein Kapitän im interstellaren Raum weiß nämlich nie genau, wo er ist. Selbst eine akkurate Analyse auf der Grundlage von Kurs und Geschwindigkeit erreicht – bezogen auf die gesamte Flugstrecke – bestenfalls eine Genauigkeit von ein paar Promille. Durch kumulative Ungenauigkeiten in der Astrogation war es durchaus möglich, dass ein Schiff am Ende des Flugs von der Erde zwei Lichtjahre vom Kurs abgekommen war. Genauso wenig wären Sternpeilungen nach dem Ausbruch eine große Hilfe. Die Astronomie ist seit jeher eine Wissenschaft gewesen, mit der man vortrefflich die Winkelstellung der Gestirne am Firmament zu messen vermochte, aber nicht ihre Entfernungen. Ohne die Kenntnis der genauen Position der Sterne in drei Dimensionen wäre der Kapitän eines Schiffs nicht in der Lage, seine eigene Position mit hinreichender Genauigkeit festzustellen, damit ein Rettungsschiff ihn in der Dunkelheit des Raums finden würde.
Der Anflug verlief ohne besondere Vorkommnisse, während PROM das Sternenschiff zu einem Asteroiden mehr als eine Milliarde Kilometer vom Schutzstätten -Protostern entfernt manövrierte. Braedon sah, wie der Frachter City of Buffalo die Sichtkuppel ausfüllte, bevor er seitlich nach achtern abdriftete. Dann war die Promise stationär im Raum und schwebte mit dem Bug nach unten zehn Kilometer über dem Asteroiden, in den noch immer die Höhlen der Expeditions-Zentrale gebohrt wurden.
Direkt über der Asteroidenoberfläche waren die Fernbereichs-Beobachtungsinstrumente in verschiedenen Richtungen himmelwärts gerichtet. Sie wurden durch Kraftstrahlen fixiert, die die minimale Anziehungskraft des Asteroiden ausglichen. Trotz der scheinbar willkürlichen Ausrichtung der Instrumente wusste Braedon, dass jedes Fernrohr, Radioteleskop, jede Grav-Antenne und jeder Neutrino-Detektor ein nahe gelegenes Sternsystem anpeilte. Sie waren Augen und Ohren der Expeditions-Wissenschaftler und suchten nach Anzeichen außerirdischer Zivilisationen in der Nähe.
»Das Schiff ist auf seiner vorgesehenen Orbitalstation, Robert«, sagte PROM.
»Sehr gut. Sag dem Maschinenraum, sie können alles außer den Funktionen für die stationäre Positionierung abschalten.«
»Nachricht übermittelt, erhalten und bestätigt.«
»Schiffssicherung anordnen.«
Sofort plärrten die Intraschiff-Kommunikatoren los: »An alle. Manövrierstationen sichern. Orbitalroutine beginnen. Sektion Alpha hat die erste Wache.«
Braedon beobachtete die verstärkte Aktivität um sich herum für eine Weile und erhob sich dann von seinem Kommandantensitz. »Sie haben das Kommando, Kapitän Garcia«, sagte er zum Raumwacht-Offizier, der nominell das Kommando über die Promise führte, in Wirklichkeit aber als Braedons Erster Offizier fungierte. »Ich werde zur Zentrale runtergehen und mich mit Vizekommodore Tarns beraten.«
»Aye, Aye, Sir.«
»Achtung! Augen rechts! Salutiert vor dem Kommodore!«
Ein Dutzend Expeditions-Marines nahm Haltung an, als Braedon die Aufzugskabine verließ, die ihn von der Asteroidenoberfläche hierher gebracht hatte. Er wurde von Vizekommodore Tarns und dem Gelehrten Price begleitet. Die anderen Abteilungsleiter, die sein Schiff begrüßt hatten, standen fünfzig Meter über ihnen Schlange und warteten auf einen Platz im Lift.
Die Höhle, in der Braedon nun stand, war aus dem Leib des Nickel-Eisen-Asteroiden gefräst worden. Die Wände waren mit den Narben Tausender Arbeitsgänge mit Plasma-Schneidbrennern übersät. Der Boden war mit dem krausen Geflecht eines Künstlichen-Schwerkraft-Apparats bedeckt. Das Geflecht lag auf einer hellblauen Kunststoffmatte und war alle paar Meter mit massiven, nicht leitenden Bolzen und Unterlegscheiben verankert. Dem federnden Gang nach zu
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