Lebenssonden: Roman (German Edition)
einen Hang zur Dramatik«, murmelte Liu mehr zu sich selbst. Er antwortete auch nicht auf die Frage, weil sie rein rhetorisch war. Funkwellen brauchten fünfhundert Sekunden, um von der Erde zur Bernadotte zu gelangen. Wie auch immer die Abstimmung ausging, das Ergebnis stand jetzt schon fest.
»Was meinen Sie, Sir?«, fragte Stassel.
»Ich meine, dass wir in Schwierigkeiten sind. Für den Fall, dass Sie es nicht bemerkt haben: Nordafrika war das letzte Land, das sich in der ersten Runde enthalten hat. Das heißt, dass sie zuletzt abstimmen. Sie sind also das Zünglein an der Waage, und sie stehen fest auf Boswanis Seite.«
Für den größten Teil des zweiten Durchgangs erfreuten die Pro-Resolutions-Kräfte sich zwar noch eines knappen Vorsprungs, doch als die Kameras auf die Gesichter der Delegierten schwenkte, wurde offensichtlich, dass Admiral Lius Befürchtungen sich bewahrheiten würden. Die zuletzt abstimmende Nation würde über Sieg oder Niederlage entscheiden.
» Botschafter Al-Mohar von Nordafrika hat sich erhoben und lässt nun den Blick über seine Kollegen schweifen. Er wirkt unschlüssig. Er schaut auf die Anzeigetafel mit dem vorläufigen Abstimmungsergebnis und geht zum Mikrofon. Nordafrika … enthält sich der Stimme!
Ich wiederhole: Nordafrika enthält sich der Stimme! «
Auf dem Bildschirm löste sich die Versammlung im Chaos auf. Delegierte schüttelten wütend die Faust gegen Al-Mohar oder klopften sich gegenseitig auf den Rücken. Die Anzeige registrierte 200 Ja-Stimmen, 198 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen. Der Generalsekretär versuchte die Leute mit der »Holzhammermethode« zur Ordnung zu rufen, doch ohne Erfolg. Das Chaos tobte noch für mindestens fünf Minuten, ehe wieder Ruhe einkehrte.
Stassel und Liu lauschten der offiziellen Bekanntgabe der Auszählung. Ein paar Sekunden später hallte Ames’ aufgeregte Stimme im Büro wider. » Hallo, Graf Bernadotte . Das hier ist offiziell! Sie können die Sonde willkommen heißen. Die Resolution ist angenommen worden! «
Brea Gallagher fand Don Bailey in der Küche, wo er und der Rest des kommissarischen Personals anscheinend damit beschäftigt waren, Vorbereitungen für eine nächtliche Party zu treffen.
»Ist das nicht wunderbar, Stinky?«
Er zuckte die Achseln und fuhr damit fort, hydroponisch angebaute Früchte für einen Salat zu zerschnippeln. »Aber ja.«
»Was ist denn los?«, fragte sie.
»Nichts ist los, Brea.«
»Spuck’s schon aus, Partner! Irgendetwas macht dir doch zu schaffen. Was ist es?«
»Na gut, da du damit angefangen hast … wann wolltest du eigentlich wieder als Prospektor arbeiten?«
»Prospektor, Don? Ich verstehe nicht.«
»Die Überholung der Lügenbaron ist schon seit fast einem Monat beendet. Sie ist wieder flugtüchtig. Wo die Sonde nun kein Geheimnis mehr ist, sehe ich keinen Grund, wieso man uns noch länger hier behalten sollte. Es wird Zeit, dass wir wieder das tun, was wir am besten können.«
Brea schwieg. Es stimmte; sie hatte sich in der letzten Zeit kaum Gedanken über die Zukunft gemacht. Weil sie dafür einfach keine Zeit gehabt hatte! Doch wo Don es nun erwähnte, erkannte sie, dass das Projekt Jungadler von geliehener Zeit gelebt hatte, seit die Nachricht bekannt geworden war. Der Schwerpunkt würde sich nun zu den Universitäten und Unternehmen verlagern, während die Menschheit sich für die Überholung rüstete. Zumal ein Astronom auf der Graf Bernadotte bald genauso sinnvoll wäre wie ein Schaufelrad.
»Vielleicht hast du Recht, Stinky. Trotzdem hat es Spaß gemacht, solange es dauerte.«
»Du musst nicht mitkommen, Brea. Ich weiß doch, wie sehr du es genossen hast, wieder in deinem alten Beruf zu arbeiten. Ich habe auch gesehen, wie viel Zeit du mit Major Stassel verbringst.«
»Ich spreche nicht mehr mit Major Stassel!«, verkündete sie und zog einen Schmollmund. »Er hat unsere Verabredung zum Abendessen am Samstag platzen lassen.«
Bailey erkannte die Symptome. Seine Mundwinkel zogen sich zu einem angedeuteten Lächeln nach oben. »Wie auch immer, Brea. Du sollst nur wissen, dass ich Verständnis für deine Entscheidung hätte, die Partnerschaft aufzulösen. Mit dem Erlös für die ›du-weißt-schon-was‹ könnte ich wahrscheinlich genug Geld zusammenkratzen, um dich auszukaufen.«
»So schnell wirst du mich nicht los, Stinky!«
»Bist du sicher?«
»Ich bin sicher.«
Bailey nickte. »In diesem Fall werde ich versuchen, morgen früh bei Admiral Liu kurzfristig einen
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