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Lebenssonden: Roman (German Edition)

Lebenssonden: Roman (German Edition)

Titel: Lebenssonden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
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wir das überhaupt?
    Ich werde meinen Standpunkt mit einer Geschichte aus der Vergangenheit veranschaulichen – mit einem Märchen meines eigenen Stamms. Es herrschte einmal eine große Dürre. Da verließen mein Stamm und ein paar andere ihre Farmen und wanderten gen Süden. Sie stießen in etwas vor, das ein nicht beanspruchtes Territorium gewesen war, solange der älteste Stammesangehörige sich erinnerte. Stellen Sie sich nun ihre Überraschung vor, als sie auf einen Stamm trafen, den sie nie zuvor gesehen hatten – einen Stamm mit weißer Haut und einer fremden, gutturalen Sprache.
    Alsbald stellte sich heraus, dass diese weißen Fremden Eindringlinge von weither waren. Doch das Land war groß, und die Zahl der Menschen klein. Meine Vorfahren befanden, dass Platz genug für alle sei. Viele Jahre lang blieben sie im Grasland, betrieben Ackerbau und erwarteten von den Weißen, dass sie in ihren eigenen Gebieten entlang der südlichen Küste blieben. Langsam, aber sicher stießen diese Fremden jedoch ins Land meiner Vorfahren vor. Zuerst kamen Missionare und erklärten sich bereit, meine Leute viele neue und erstaunliche Dinge zu lehren. Und viele dieser neuen Dinge waren auch wundervoll. Der Stamm lernte neue Methoden des Ackerbaus, und ein paar Leute bekamen sogar Gewehre für die Jagd. Andere neue Ideen waren aber nicht so gut. Einmal kam die alte Religion aus der Mode – verdrängt vom weißen Kreuz-Gott.
    Als Nächstes kamen weiße Siedler und gründeten ihre eigenen Farmen. Leute gingen zu den Farmen von Weißen, um dort zu arbeiten, und kehrten mit seltsamen neuen Ideen in ihre Dörfer zurück. Junge Männer versagten den Älteren den Respekt. Junge Frauen lernten eine fremdartige Betätigung namens Huren. Ich will euch nicht mit dem Rest der Geschichte langweilen. Ähnliche Dinge ereigneten sich bei den meisten schwarzen und braunen Völkern dieser Welt. Ein Jahrhundert nach dem ersten Kontakt mit den Weißen waren wir praktisch Sklaven im eigenen Land.
    Wer ist nun schuld an dieser Schande, die über meine Vorfahren kam? Wen sollen wir wegen dieser Schrecken verfluchen? Unglücklicherweise ist dies keinem einzelnen Menschen geschuldet, sondern dem Gang der Geschichte. Eine starke Industriekultur ist mit einem statischen Hirtenvolk in Kontakt gekommen. Die Tragödie war unvermeidlich.
    Also, meine Freunde, sollten wir uns mit Blick auf diese Geschichte fragen, wo stehen wir und diese Sonde? Wer ist diesmal der Große Weiße Vater? Vermag eine menschliche Gesellschaft eine so hohe Dosis fremden Wissens überhaupt zu verkraften, das die Sonde uns anbietet? Ich bitte meine Bedenken zu entschuldigen, entstamme ich doch einem rückständigen Volk, das Wissenschaft nur als Instrument der Versklavung erfahren hat.
    Verehrte Delegierte, ich sage, wir Menschen haben bereits darunter zu leiden, dass wir zu schnell zu große Fortschritte gemacht haben. Ich lehne diese unselige Resolution deshalb entschieden ab!«

20
     
    Elfeinhalb Jahre zuvor war ein überlichtschnelles Schiff in der Nähe eines hellen, gelbweißen Sterns jenseits der menschlichen Sonne gestartet. SONDE verfolgte aufmerksam, wie der durch den Flug verursachte Strahlensturm durchs Sonnensystem graupelte.
    Der Stern war ein Unterriese F5 und wurde auf seiner Himmelsbahn von einem Weißen Zwerg begleitet. Der Stern der Spektralklasse F5 war einer der hellsten Sterne am menschlichen Himmel, und die Zweibeiner hatten ihn schon vor langer Zeit ins Pantheon der Himmelszeichen aufgenommen. Sie nannten ihn Procyon.
    SONDE ermittelte die genaue Position des Sterns und nahm die Berechnung für die Kursänderung vor, die sie zum neuen Ziel führen würde. Hundert Nanosekunden genügten für die Brennstoff-Subroutinen, um die schlechte Nachricht zu bestätigen. Nach zehntausend Flugjahren enthielten SONDEs Tanks kaum noch genug Masse, um den Flug zu verzögern – geschweige denn zu manövrieren. Der F5-Stern lag fast direkt voraus, war aber genauso unerreichbar wie die Große Magellan’sche Wolke.
    Immerhin stand Procyon fünf Grad abseits von SONDEs Flugroute, was ihre Manövrierfähigkeit weit überstieg. SONDE hatte also nur zwei Möglichkeiten: Sie vermochte den Kurs zu ändern, Reaktionsmasse zu vergeuden – und damit jeder Chance zum Anhalten sich zu berauben, wenn sie das Procyon-System erreichte. Oder sie konnte im Sonnensystem anhalten und Hilfe bei den Menschen suchen. Nach dem Auftanken würde sie dann Kurs auf die überlichtschnelle

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