Leberkäsweckle
Schirmer einen Schritt zur Seite und überließ dem jüngeren Kollegen die Verdächtige.
»Frau Bremer, der Fall liegt oder vielmehr saß«, er sah zum Sessel hinüber, in dem die kopflose Elfriede gesessen hatte, »vor uns. Sie sind hier mit der Toten angetroffen worden und hatten die Tatwaffe noch in der Hand. Von einem bloßen Unglücksfall ist hier nicht auszugehen.«
Der Bürgermeister trat hinter dem Sessel seiner Frau vor. »Moment, Moment, Herr Knöpfle! Von Gewehr in der Hand war nie die Rede! Das Gewehr lehnte dort drüben an der Anrichte, gut ein paar Meter von meiner Frau entfernt!«, sagte er mit fester Stimme.
»Aber wir werden die Fingerabdrücke Ihrer Frau auf der Waffe sichern und auch feststellen, dass niemand anderes zur Tatzeit hier in diesem Raum war«, entgegnete Knöpfle.
»Ersteres möchte ich bezweifeln, und Zweiteres muss erst noch bewiesen werden. Wir haben immerhin noch einen zweiten Schuss, den durchs Fenster!«, konterte der Bürgermeister.
Knöpfle war aus dem Konzept gebracht. Er musste sich orientieren, seine Augen suchten das Zimmer nach der Waffe ab und fanden sie in den unbehandschuhten Händen eines der Streifenpolizisten.
»Was machen Sie denn da mit der Waffe, Kollege?«, rief er entsetzt.
»Ha, dui hot er mir geba«, lautete die Antwort.
»Wann? Wer?«, fragte Knöpfle.
»Eba. Euer Bürgermeischter«, kam es zurück.
»Du Allmachtsbachel! Ond ohne Handschuh!« Schirmer stürmte an Knöpfle vorbei auf den Kollegen zu. Hätte Knöpfle ihn nicht zurückgehalten, wäre er dem Beutlinger Streifenpolizisten an den Kragen gegangen.
Sie hatten ein Problem, dachte Kommissar Knöpfle. Sie hatten ihren ersten richtigen Fall, und schon hatten sie auch ein richtig großes Problem. Wenn das rauskam, wie sie hier mit Beweismitteln geschludert hatten, wären sie die nächsten Jahre die Lachnummer im Kreis, wenn nicht im Ländle. Knöpfle kannte die Presse und die Möglichkeiten, die selbst ein kleines Blatt wie das hiesige hatte. Mit ein bisschen Pech würden sie es bis in die Bild-Zeitung schaffen. Dann konnte er seine Karriere vergessen.
Verzweifelt schaute er Schirmer an. Was machen wir nun, Herr Kommissar?, fragte dieser Blick.
Von einem Blick konnte man bei Gerda Schickle nicht mehr sprechen. Ihr waren nach diesem anstrengenden Tag – Fahndung hin, Klopfer in der Kirche her – die Augen zugefallen. Sie schlief tief und fest und hörte kein Klingeln an der Wohnungstür, kein Klopfen, ja, selbst das recht laute Aufbrechen der Tür durch die Polizeibeamten der Polizei entging ihr. Sie wachte erst wieder auf, als einer der Beamten ihr die Handschellen anlegte. Zunächst dachte sie, es wäre ein Traum, nach den Erlebnissen dieses Tages. Als sie aber kurz darauf im Streifenwagen saß und das nächtliche Pfenningen in blauen, blitzlichtartigen Bildern an sich vorbeifliegen sah, dachte sie: Zu realistisch. Also, Wirklichkeit.
Im Beutlinger Hauptkommissariat war dieser Gefangenentransport schon angekündigt worden. Schnell wurden Gerda Schickles Daten aufgenommen, Fingerabdrücke und auch ein Foto gemacht. Sie war ganz fasziniert von der Technik und von den wohlgepflegten Topfpflanzen auf den Simsen.
Anscheinend hat sie die Ernsthaftigkeit der Situation noch gar nicht erkannt, dachte einer der Ermittlungsbeamten, also setzten sie sie in einen Verhörraum und ließen sie eine Weile schmoren.
Aber schmoren war das für Gerda eigentlich nicht. Interessiert studierte sie die verschiedenen Sansevierien auf der Fensterbank, prüfte die Erde, schaute das Blattwerk an, kurz, sie unterhielt sich mit den Pflanzen ausgezeichnet. Das Auftauchen des Vernehmungsteams empfand sie daher eher als Störung.
»Vernehmung Gerda Schickle, 14. September, zweiundzwanzig Uhr vierzig. Anwesend: Frau Gerda Schickle, Hauptkommissar Schleck und Kriminalassistent Bürzle. Frau Schickle, möchten Sie einen Anwalt verständigen?«, fragte Schleck.
Gerda kannte diese Szenen aus dem Fernsehen zur Genüge. Ohne Anwalt würden die sie hier vielleicht fertigmachen, ihr was unterschieben, Mord, Rauschgift, Prostitution und was sonst noch alles. Aber sie kannte keinen Anwalt, und für den Moment wollte sie der hiesigen Polizei doch noch vertrauen. Schließlich war man hier in Beutlingen und nicht in Frankfurt oder Berlin.
»Nein, ich verzichte im Moment noch auf einen Rechtsbeistand«, sagte sie laut, »behalte mir diese Möglichkeit allerdings vor. Was wirft man mir vor?«
Hoppla, dachte Schleck, die Frau
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