Leberkäsweckle
hatte Format, die saß hier nicht seufzend rum, die nahm die Sache in die Hand. Das konnte ja was werden.
»Frau Schickle, Ihnen wird zur Last gelegt, einen bewaffneten Überfall mit Körperverletzung auf den Einzelhändler Gustav Millreiner begangen zu haben.«
»Körperverletzung, nun ja, Überfall, nein, bewaffnet, nein!«, kam es von Gerda Schickle wie aus der Pistole geschossen.
Hauptkommissar Schleck wurde unruhig. Über den Überfall und den Waffeneinsatz lagen ihnen lediglich die Aussagen der Angestellten und der beiden Streifenpolizisten vor. Der Einzelhändler Millreiner wurde im Krankenhaus untersucht und war noch nicht in der Lage, eine Aussage zu machen. Sie hatten darauf gehofft, diese Schickle mit der Waffe anzutreffen, aber Fehlanzeige. Und nun das. Was sollte er da machen?
Machen wollte auch Pfarrer Leonhard was. Er hatte schließlich jemanden auf dem Revier in Beutlingen erreicht. Aber nach den zahlreichen Vorfällen an diesem Tag war man dort auf Pfenningen nicht mehr gut zu sprechen. Sie hatten ihn richtiggehend ausgelacht.
Ein Toter in der Kirche! Das auch noch, hatten sie gesagt und aufgelegt. Sie hatten wohl gedacht, er wollte sie auf den Arm nehmen.
Ausgerechnet gestern hatte er seinen Schlüssel verlegt und sich den vom Mesner ausleihen müssen. Manchmal gab es Zufälle, da konnte man zum Atheisten werden! Aber vielleicht konnte er eine der Schwestern überreden, den Schlüssel nach Pfenningen zu bringen. Am besten zu Gerda Schickle, die konnte ja dann in Vertretung des Bürgermeisters die Sache in die Hand nehmen. Er wusste sogar ihre Adresse, weil sie den Gemeindebrief austrug.
Ganz in diese Gedanken versunken erschrak er nicht schlecht, als es kurz klopfte und ein neuer Bettnachbar hereingeschoben wurde. Herr Metzger war in eine andere Abteilung verlegt worden, und er trauerte ihm nicht nach.
»So, Herr Pfarrer, Sie kriegen wieder Gesellschaft«, rief die Schwester ihm fröhlich zu. »Übrigens auch ein Pfenninger, dort muss heute schwer was los gewesen sein, einmal ambulant und drei sind auf Station. Ein gefährliches Örtchen, wie mir scheint! Vielleicht kennen Sie sich ja«, sagte sie noch und war auch schon aus der Tür.
Pfarrer Leonhard hob den Kopf und schaute zum anderen Bett hinüber. Das war doch dieser Millreiner vom Schreibwarengeschäft. Den kannte er nicht besonders gut, denn der war katholisch. Er würde sich seinem Bettnachbarn später widmen, beschloss er. Für den Schlüssel würde sich schon eine Gelegenheit ergeben. Im Augenblick war ihm nach einem Schläfchen, vielleicht verbunden mit einem Besuch auf seiner Wolke sieben. Mit einem Lächeln auf den Lippen schloss der Pfarrer die Augen.
Das tat auch Franz Werth, allerdings ohne das Lächeln auf den Lippen und auch nur für einige Momente. Bei dem Sturz von der Empore hatte er sich den Fuß verletzt, was seine Möglichkeiten, aus dieser Kirche herauszukommen, weiter einschränkte. Mehr als gegen die Tür klopfen konnte er nach wie vor nicht. Langsam wurde er müde, und sein Bein schmerzte immer mehr. Er wollte sich gerade entnervt auf den Boden setzen, da sah er in der Sakristei drüben ein Fenster, das zumindest gekippt war. Vielleicht konnte er dort etwas hinaushalten?
Zum wiederholten Mal schaute er sich im Kirchenraum um. Schade, dass es eine evangelische Kirche war. In einer katholischen hätte er vielleicht ein paar Fahnen von irgendwelchen Prozessionen finden können. Hier war damit Fehlanzeige. Aber er könnte das Altartuch nehmen und dann eine Art Stange suchen. Konnte er das machen, für etwas so Profanes das Altartuch benutzen? Dies war ein Notfall, inzwischen ein richtiger Notfall, und außerdem, was kümmerte ihn das Hinterher. Dann war der Film für ihn sowieso zu Ende, Abspann und The End.
Das Einzige, was irgendwie länglich war, das war eine Aluleiter, die er hinter den Vorhängen entdeckt hatte. Mühsam schleppte er sie zum Fenster und lehnte sie an. Dann holte er das Altartuch, schlang es um das obere Ende der Leiter und versuchte, das Ganze durchs Fenster zu zwängen. Es ging mit Mühe und Not, und so richtig fahnenmäßig war das nicht – aber mit ein bisschen Glück würde das jemand draußen sehen.
Franz Werth täuschte sich ein wenig, was die Reaktion der Außenwelt auf seine Fahnenaktion betraf. Denn inzwischen war es dunkel, der Abend vorangeschritten, und nur wenige Passanten kamen an dem betreffenden Fenster vorbei. Und vielleicht wäre das Altartuch an der Leiter auch völlig
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