Leberkäsweckle
In diesem Augenblick ging die Tür auf, und Frieder Kötzle betrat die Wache.
»Grüß Gott, die Herren«, grüßte er die beiden Kommissare. »Hoffe, es geht gut!«
Schirmer und Knöpfle staunten nicht schlecht. So freundlich kannten sie den Frieder eigentlich nicht.
»Sagt mal, habt ihr diesen Krimi in der Zeitung schon gesehen oder sogar gelesen?«, fragte Frieder und legte die Zeitungsbeilage mit »Stille Tage am Albtrauf« auf den Tisch.
Schirmer betrachtete den Text interessiert. Bisher hatte ihm Knöpfle zwar davon erzählt, aber gelesen hatte er die Krimigeschichte noch nicht. Jetzt blätterte er ein bisschen darin herum, bis er zu den Szenen in Frieders Gütle kam. Da stand ja alles drin, seine Eimer-Aktion und der anschließende Durchfall am Georgenberg! Wenn das einer der betroffenen Jugendlichen in die Hand bekam, dann, Schirmer, dachte er, dann bist du dran! Ihm lief der Schweiß kalt den Rücken hinunter. Das durfte nicht passieren. Sie mussten diesen Schmierfinken finden und dingfest machen. Nun war auch Schirmer motiviert bis in die Haarspitzen.
»Kennt ihr den Autor?«, fragte Frieder.
»Ist ein Pseudonym«, sagte Knöpfle. »Ich habe schon bei der Zeitung angerufen. Die wissen angeblich auch nichts.«
»Dnreb Reliew«, las Frieder vor, »klingt irgendwie litauisch.«
Bei dem Wort »litauisch« schaute Knöpfle auf. Was wohl aus der Sache geworden war? Er hatte vom Bürgermeister seither nichts mehr gehört.
Frieder war überrascht, dass seine Vermutung bei Knöpfle solche Betroffenheit auslöste. Er hatte nicht länger vor dem Hause Rottwald warten wollen. Vielleicht, hatte er gedacht, wenn ich ein paar Blumen besorge, komme ich bei Barbara besser an. Er hatte sich auf den Weg in die Stadt gemacht. Im Buchladen, bei Fleischmann, hatte er sich ein paar Bücher angeschaut. Seine Barbara liebte ja die Schwäbische Alb über alles. Da gab es ein neues Bändchen, Herr Fleischmann hatte ihn freundlicherweise darauf aufmerksam gemacht: »Die Schwäbische Alb und ihre Menschen«, herausgegeben von einem Bernd Weiler, Pfenningen. Er hatte es gleich bemerkt. Das konnte kein Zufall sein. Jetzt legte er den beiden Kommissaren das Bändchen auf den Tisch.
»Fällt euch was auf?«, fragte er.
Knöpfle nahm das Buch und blätterte es durch. »Nett. Gute Bilder und echte Texte. Und?«, fragte er zurück.
»Der Herausgeber. Schaut euch mal den Namen an.«
Schirmer las: »Bernd Weiler. Und?«
»Dnreb Reliew«, sagte Frieder und tippte sich mit dem Finger an die Stirn.
Knöpfle war wie immer der Schnellere von beiden. »Das ist Bernd Weiler, nur umgekehrt!«, rief er aus. Sie hatten den Schmierfinken!
Schirmer brauchte noch eine Weile, dann hatte auch er es begriffen.
»Der ist also doch von hier, kein Litauer!«, rief er erkenntniserfüllt aus.
Knöpfle blätterte derweilen im Telefonbuch. Bergfelderstraße 33/5, das war doch draußen am westlichen Ortsrand, diese relativ neue Passivhaussiedlung.
»Der ist zugezogen«, wusste Frieder noch, »wohnt draußen in der Bergfelderstraße, diese roten Häuser.«
»Sehet furchtbar aus«, sagte Schirmer.
Furchtbar, das war eine Beschreibung, die auch auf Alfred passte. Es ging ihm beileibe nicht gut.
Er wusste nicht, welche Stelle seines Körpers am heftigsten schmerzte. Es war kaum auszuhalten. Aber dieser Pfarrer, der gab ihm den Rest. Wenn der wenigstens mal ein paar Minuten die Klappe halten könnte, wäre seine Genesung einen guten Schritt weiter. Das musste mit dem Fall in die Grube und der anschließenden Rettungsaktion zusammenhängen. Der Pfarrer hatte sich offensichtlich mehrfach den Kopf angeschlagen, aber wie. Nun musste er sich das Vergangene zusammenreimen, also redete und redete er, erzählte, erzählte wieder, dann wieder anders, überlegte und erzählte von Neuem. Alfred wurde schier wahnsinnig. Es war eine Sache, eine Geschichte erzählt zu bekommen, aber es grenzte an Folter, dieselbe Geschichte hundertfach, in verschiedensten Versionen, erzählt zu bekommen.
Alfred dachte nach. Er musste sich was einfallen lassen. Aber lass dir mal was einfallen, wenn du beide Arme in Gips hast. Er war auf Hilfe von außen angewiesen. Da kam ihm seine Klara gerade recht, die eben nach kurzem, militärischem Klopfen das Zimmer betrat. Keine Frage, die Klara würde ihm helfen. Die ging aber schnurstracks an seinem Bett vorbei hinüber zum Pfarrer. Ja, was war denn das jetzt?, fragte sich Alfred. Er wusste zwar um die Nähe seiner Frau zur Kirche, aber
Weitere Kostenlose Bücher