Leberkäsweckle
einfache Lösung hätte sich Pfarrer Leonhard auch gewünscht. Aber die Beerdigungen, Ignaz, der den Trauergottesdienst hielt … so langsam kam das alles zurück. Auch sein Entschluss, dem allem endlich einmal zu entfliehen, rauszukommen und aufzuatmen, frei zu sein, ohne Gemeinde, ohne Ansprüche. Aber nun lag er hier, zur Untätigkeit verdammt und mit einem Pfenninger Gipshaufen als Nachbarn. Der Alfred war zwar kaum beweglich, dafür umso reger mit seinem Mundwerk. Das redete vor sich hin, das redete und redete in einem fort. Pfarrer Leonhard, eh schon am Rande des Wahnsinns, konnte nicht mehr. Er wollte diese Geschichten nicht mehr hören, von Durchfällen am Georgenberg, von verschwundenen Polizeiautos. Ihm persönlich genügten die beiden verwechselten Leichen auf dem Friedhof. Er wusste nicht, ob er jemals wieder zu einer Beerdigung fähig sein würde.
Da wusste der liebe Gott, dass er hier eingreifen musste. Einem seiner Männer war der Glaube abhandengekommen, verständlich vielleicht, aber für ihn halt nicht akzeptierbar. Dem Manne musste geholfen werden, und zwar schnell. Nun hatte man als Gott so seine Möglichkeiten. Er konnte einen schnellen Engel schicken, der Bruder Leonhard zur Seite stehen und ihn aufrichten würde. Das war aber keine sichere Option. Welchen Engel sollte er nehmen, und ob der dann das erreichen würde, was er von ihm erwartete, blieb offen. Er konnte ihn auch gleich holen, dann war Pfarrer Leonhard erdenmäßig eben abgemeldet. Blieb als Möglichkeit. Am besten wäre die kleine Kraftladung. Das müsste bei dem vielleicht reichen. Ein Schuss Kraft und Glauben, dann würde man sehen.
So sah das auch Gerda Schickle. So musste sie denken, denn sie brauchte diesen Glauben und diese Kraft, um die eben erlebte Situation zu verarbeiten.
Das war doch wohl das Letzte gewesen. Diese Frau konnte einen zum Mord treiben. Ein bisschen verstand sie den Bürgermeister nun besser. Mit so einem Drachen zu Hause war das Leben nur noch halb so viel wert. Kein Wunder, dass der Mann sich anderweitig bedient hatte. Gerda würde ihrem Chef in Zukunft den Rücken stärken und womöglich gleich morgen früh die Julia aus der Buchhaltung anrufen. Dem wollte sie helfen, keine Frage.
So gelaunt ging sie über den Marktplatz und umrundete großzügig den Ludwig’schen Marktstand, denn die penetrante Eloquenz dessen Inhabers war ihr bekannt. Sie wunderte sich noch, dass Gärtner Ludwig nun anscheinend jeden Tag hier seinen Stand aufbaute. Als sie sich anschickte, die Treppe zum Rathaus römisch eins hinaufzusteigen, hörte sie einen Knall. Sie konnte später bei Gott nicht mehr sagen, was zuerst gewesen war, der Knall oder dieser kurze Schmerz. Gott meinte, es wäre wohl eher der Schmerz gewesen, er wüsste das aus vielen Berichten.
Gerda Schickle jedenfalls schlug der Länge nach hin wie eine gefällte Eiche. Das war eine Aufregung an den Rathausstufen, die Leute liefen zusammen, man erschrak und staunte. Aber wo blieb denn bloß die Polizei?
Tja, die war anderweitig aktiv. Die beiden Kommissare saßen gerade dem Delinquenten gegenüber. Zyrill von Ebhausen, ein rüstiger Mittsiebziger mit langem grauen Haar und ebensolchem Bart, machte einen auf unschuldig.
Thomas Knöpfle hatte ihn schon nach allen Regeln der Kunst vernommen. Aber der Mann stritt alles ab und wollte mit einer solchen Geschichte in keinen Zusammenhang gebracht werden. Zurzeit durchsuchten die Kollegen die Wohnung dieses Möchtegerndichters. Hoffentlich fanden die was, dachte Knöpfle, denn hier sah es im Moment nicht so aus, als dass irgendein Ergebnis zu erwarten wäre. Aber sie mussten in dieser Wohnung etwas finden. Zumindest damit er Zyrill der üblen Nachrede überführen konnte. Auch Schirmer tat mit seiner filigranen Vernehmungstechnik sein Bestes, der Sache voranzuhelfen.
»Du warsch’s, geb’s zua!«, schrie er Zyrill gerade an. Mit wenig Erfolg.
»Ich möchte noch einmal betonen, dass ich mit dieser Sache, mit diesem Krimi, nichts, aber auch rein gar nichts zu tun habe. Im Übrigen bin ich ein Dichter von nationalem Ruf. Ich habe es nicht nötig, einen solchen Witzroman über Pfenningen zu schreiben«, empörte sich Zyrill von Ebhausen.
»Wir werden sehen, was bei der Hausdurchsuchung herauskommt«, meinte Knöpfle und sah die beiden Beamten, die eben zur Tür hereinkamen, erwartungsvoll an.
»Nichts«, sagte Heiner, »keine Spur von diesem Manuskript. Auch auf dem Rechner nicht. Aber …«
»Was aber?«, sagte
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