Lee, Julianne
sich ab, um anderswo nach geeigneten Kanonieren Ausschau zu halten. »Nun, dann ...«
»Ich bitte um Entschuldigung, Mylord, aber wolltet Ihr damals wirklich einem Kampf ausweichen?« Murray drehte sich stirnrunzelnd zu ihm um. »Unsinn, das wäre kein Kampf geworden, sondern ein Massaker. Unsere Männer waren erschöpft und demoralisiert. Hätten wir sie gezwungen, den
Engländern ein weiteres Mal gegenüberzutreten, hätten wir sie in den sicheren Tod geschickt. Euer Vater und ich gehörten zu den wenigen, die das erkannt hatten.« »Ich verstehe.«
Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren verabschiedete sich Murray und ging weiter. Der Laird von Ciorram sah ihm mit gemischten Gefühlen nach. »Ciaran...«
Ciaran fuhr herum. Eóin stand hinter ihm. »Eóin, sorge hier für Ordnung. Ich bin bald wieder zurück.«
»Aye.« Sein Stiefbruder sah ihn neugierig an, wagte aber nicht, ihm Fragen zu stellen.
Ciaran ging zu dem Bach hinüber, der sich ganz in der Nähe durch die Heide schlängelte. Er hatte die Hände tief in den Manteltaschen vergraben und den Kragen hochgeschlagen. Sowie er außer Sichtweite der Mathesons war, ließ er sich am Wasserrand auf einem glatten, runden Felsbrocken nieder. »Fee«, murmelte er, »bist du da?«
Als er keine Antwort erhielt, zischte er: »Wenn du dich nicht sofort zeigst, erschieße ich den Prinzen, und was wird dann aus Pas Vorhersagen?«
»Du wirst den Prinzen nicht erschießen, weil du zu so etwas gar nicht fähig bist. Und deswegen wird alles so kommen, wie dein Vater es gesagt hat.« Sinann materialisierte sich vor ihm und landete auf dem schlammigen Boden. »Und mein Name ist Sinann, wenn es dir nichts ausmacht.« »Ich muss mit dir reden.«
»Natürlich, sonst hättest du mich ja nicht gerufen.« »Sehe ich meinem ... sehe ich wirklich so aus wie Dylan Dubh?« Die Fee sah ihn erstaunt an, dann brach sie in schallendes Gelächter aus. Sie lachte, bis ihr die Tränen über die Wangen liefen. Ciaran senkte den Kopf. Sein Gesicht brannte vor Scham. In diesem Moment hätte er am liebsten einen Kiesel aus dem Bach gefischt und nach ihr geworfen.
Doch sowie sie wieder zu Atem gekommen war, zwitscherte sie: »Natürlich tust du das! Hast du dich denn noch nie im Spiegel angeschaut?«
Ciaran rutschte unbehaglich auf dem Stein hin und her. »Doch, sicher. Aber wenn ich tatsächlich sein Sohn bin, warum hat er mich dann adoptieren müssen?«
»Er wollte nicht, dass die Leute dich Ciaran Ramsay nennen, das ist alles. Er wollte, dass du in dem Wissen aufwächst, ein Matheson zu sein.«
»Aber kann es denn sein ... ich meine, wenn Connor Ramsay ihm ähnlich sah ...«
Sinann stieß ein schnaubendes Lachen aus. »Er ähnelte Dylan Dubh so sehr wie ein Sattel einem Pferdearsch! Mein Freund, Connor Ramsay war der blasseste, saft- und kraftloseste Mann, der je über Gottes Erdboden gewandelt ist.« Ciaran wurde leichter ums Herz, und die Fee fuhr fort:
»Außerdem kann ich beschwören, dass er deine Mutter nie berührt hat. Nicht ein einziges Mal.«
Ciaran traute seinen Ohren nicht. Erregt zupfte er an seiner Haarlocke herum. »Was sagst du da?«
»Es ist die Wahrheit. Als deine Mutter deinen Vater aufgeben und Ramsay heiraten musste, gab ich ihr einen Talisman, der ihr Kraft schenkte. Ich wusste, dass sie sich ihrem Mann im Ehebett verweigern wollte, daher fertigte ich ein rotes Band mit sieben Knoten für sie an, das ihr die nötige Stärke dazu verlieh. Von dem Zeitpunkt an, da sie Ciorram verlassen musste, bis zu dem Tag, als dein Vater sie zur Frau nahm, hat sie Ramsay nie gestattet, sie anzurühren
»Bist du da ganz sicher?«
Die Augen der Fee wurden schmal. »Och, zweifelst du etwa an meinem Wort, mein Freund? Falls dem nämlich so ist, werde ich dich auf der Stelle in eine Kröte verwandeln!« Sie hob drohend die Arme und er winkte rasch ab.
»Schon gut, ich glaube dir ja.«
»Da tust du gut daran. Ich war nämlich in der Nacht, in der du gezeugt wurdest, selbst dabei.«
Er runzelte die Stirn. »Ich dachte, du würdest deine Freunde bei so intimen Dingen nicht bespitzeln.«
»Nun, sie haben mich geweckt, nicht wahr? Es war im alten broch, am Beltanefest. Ich saß oben in meinem Lieblingsbaum, und sie lagen im Gras und... nun, sie liebten sich.« Sie beugte sich vor und senkte die Stimme. »Dylan Dubh ist dein Vater, mein Freund. Zweifle nie daran. Deine Mutter war die große Liebe seines Lebens, und du bist der lebende Beweis dafür. Du warst nicht nur sein
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