Lee, Julianne
beschlich ihn ein unbehagliches Gefühl. Er musste daran denken, dass die Welt von unsichtbaren Wesen wie den Geistern der Toten und ähnlichem wimmelte. Flüchtig überlegte er, ob vielleicht seine Eltern heute Abend bei ihm waren, tat die Vorstellung jedoch sofort als abergläubischen Unsinn ab. Dieser Feier haftete nichts Heidnisches an. Überhaupt nichts. Trotzdem blickte er zu den Bäumen auf, deren Blätter leise im Nachtwind raschelten, und dachte über das Kommen und Gehen jener nach, die sich zwischen den Welten bewegten.
Als die Musik kurz verstummte, rief Leah plötzlich laut: »Entschuldigt bitte, aber was hat es mit diesem Schwertertanz auf sich, von dem ich so viel gehört habe? Ist hier jemand, der diesen Tanz beherrscht?«
Mit einem Schlag trat tiefe Stille ein. Nur das Prasseln des Feuers war noch zu vernehmen.
Leah blickte sich verwirrt um, ehe sie wiederholte: »Beherrscht hier jemand diesen Tanz?« Dann wandte sie sich an ihren Vater. »Ach bitte, frag sie doch, ob sie mir den Schwertertanz vortanzen.« Ciaran hätte am liebsten warnend den Kopf geschüttelt, doch die perverse Neugier auf die Reaktion des Captains hielt ihn davon ab.
Dieser wirkte nicht sehr erfreut. »Leah, ich glaube nicht...« »Oh, Vater, ich bin doch so furchtbar neugierig darauf. Ich habe diesen Tanz noch nie gesehen und möchte es so gerne! Nur dieses eine Mal, dann bitte ich nie wieder darum. Bitte, Vater!«
Ciaran mischte sich ein. »Dummerweise fehlen uns die nötigen Schwerter für diesen Tanz.« Der Teufel sollte ihn holen, wenn er in Gegenwart des Captains und seiner Leute jemanden in die Burg schickte, um die dort versteckten Waffen zu holen. Man würde sie sofort beschlagnahmen. Davon abgesehen wurde dieser Tanz traditionsgemäß am Vorabend einer Schlacht aufgeführt und nicht zur Unterhaltung einer feindlichen Besatzungsmacht.
Aber Leah ließ nicht locker. »Wir haben doch genug Säbel zur Verfügung.« Sie deutete auf ihren Vater und seine Begleiter, dann
sprach sie Ciaran direkt an. »Bitte, Sir, würdet Ihr mir diesen Tanz zeigen?«
Also sollte er selbst für sie tanzen, und noch dazu mit den Säbeln der Dragoner ihres Vaters! Der Gedanke belustigte ihn. »Na schön. Bringt die Dudelsäcke.« Er ging zu den Soldaten hinüber, um ihre Säbel zu erbitten, doch der alte Keith Ròmach hielt ihn zurück.
»Ich habe ein Matheson-Schwert hier, Ciaran.«
Ciaran drehte sich um und runzelte die Stirn. »Ein echtes?«
»Aye. Dieses hier.« Keith zog ein altes Breitschwert aus der Scheide an seinem Gürtel. »Dein Vater gab es mir nach dem letzten ...« Er warf den Rotröcken einen vielsagenden Blick zu. »Als er es nicht mehr brauchte. Es hat mir gute Dienste geleistet, bis sich der Heftzapfen lockerte.« Er reichte Ciaran das Schwert Es hatte einen Korbgriff aus durchbrochenem Eisengeflecht und war bestimmt hundert Jahre alt. Da die Klinge locker im Heft saß, war es in einer Schlacht vollkommen nutzlos, aber für den Tanz konnte man es verwenden. Ein Matheson-Schwert, das einst seinem Vater gehört hatte. Die Vorstellung gefiel Ciaran. Er nahm Keith Rómach die Waffe ab.
Dann griff er nach dem Säbel, den der Captain ihm reichte, und verneigte sich vor Leah. »Ich werde Euch den Tanz zeigen, wenn Ihr es wünscht, Miss, aber die gebogene Klinge des Säbels macht es mir schwerer als sonst.«
Als er in die Mitte der Lichtung trat, wo die Zuschauer ihm bereitwillig Platz gemacht hatten, und die Waffen auf den Boden legte, klatschte Leah vor Freude wie ein kleines Mädchen in die Hände. Das alte Schwert seines Vaters drapierte er über den Säbel, sodass die beiden Waffen ein Kreuz bildeten - das Zeichen des Triumphs über den besiegten Feind.
Dann ließ er den Blick über die Zuschauermenge schweifen. Seine Mundwinkel zuckten, als er in vielen Gesichtern ein unterdrücktes Lachen bemerkte. Er stellte sich am Fuß des Kreuzes auf, hob das Kinn, stemmte die Hände in die Hüften und nickte dem Dudelsackspieler zu.
Der Tanz begann langsam. Die Augen starr geradeaus gerichtet trat er zwischen die Klingen. Vierteldrehung, Schritt, Sprung, Schritt zurück und so weiter. Allmählich steigerte sich das Tempo. Ciaran hob die Hände über den Kopf und tanzte weiter; drehte sich und sprang wieder und wieder über die Klingen. Sein Haar flog im Wind. Er blickte nicht nach unten und achtete sorgfaltig darauf, keine der beiden Waffen zu berühren, das hätte eine Niederlage in der Schlacht bedeutet. Die Musik wurde immer
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