Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
brüllte mit überkippender Stimme:
»Sie sagten … weil sie eine Mörderin ist … bringt man sie in eine Organbank. Dort schwimmt sie in einem Tank und wird über Schläuche ernährt, bis jemand vielleicht ein Auge braucht. Dann entnehmen Sie Priscilla ein Auge. Irgendwann kommt dann jemand, der das andere Auge will, oder eine Niere, einen Lungenflügel, ein Bein … nach und nach schneiden sie sie in Stücke …«
»Gordy!« Der Captain sank auf die Knie, zog den Jungen fest an sich und drückte sein Gesicht in den blonden Haarschopf. »Hör auf damit, ich bitte dich!«
Das Kind verstummte.
Langsam zog Gordy sich zurück, legte schüchtern eine Hand gegen Shans Wange und fing an zu schluchzen. »Shan, sag ihnen, dass ich als Zeuge aussagen will. Priscilla darf nicht sterben – sie ist ein guter Mensch!«
»Ich weiß«, murmelte der Captain und kam langsam wieder auf die Füße. »Ich weiß.«
Er deutete vor dem Polizeisergeant eine Verbeugung an. »Es wurde beschlossen, dass mein Mündel im Prozess gegen Ms. Mendoza als Zeuge aussagen wird. Bitte teilen Sie uns Ort und Zeit der Verhandlung mit, sowie die Art und Weise, in der wir uns präsentieren müssen.«
»Es gibt keinen Grund«, warf die Hafenmeisterin ein, »weshalb der Prozess nicht sofort stattfinden könnte. In Fällen, die das Hafengebiet betreffen, bin ich befugt, das Richteramt auszuüben. Wir brauchen nur zu warten, bis meine Robe gebracht wird und ein Raum als Verhandlungszimmer zur Verfügung steht.« Sie warf einen Blick auf den Beamten am Schreibpult, der sofort nach dem Kom-Gerät griff und einen Kode eintippte.
Die Robe drückte schwer auf ihre Schultern. Vielleicht lag es an dem ungewohnten Gewicht, denn sie fungierte nur höchst selten als Richterin; normalerweise mischte sie sich nicht in die Rechtsprechung ein. Vielleicht lag es auch daran, dass der Junge – und der überaus sympathische Captain – in den Fall verwickelt waren. Die durften aufgrund einer Sondererlaubnis nebeneinander sitzen – der hünenhafte, weißhaarige, ernste Liaden und der Bub mit dem leeren, von Drogen benebelten Blick.
Sie seufzte, läutete mit der Glocke, damit Ruhe einkehrte, und las mit ausdrucksloser Stimme die einleitenden Floskeln vor. Nachdem die Identität der anwesenden Personen festgestellt worden war, blickte sie auf den Monitor; zufrieden nickte sie, dann schaute sie wieder den Jungen an. Ein feiner Schweißfilm überzog sein Gesicht, und die Pupillen in den weit aufgerissenen Augen waren stark vergrößert. Von der braunen Iris sah man nur noch einen schmalen Rand.
»Wie ist dein Name, Junge?«
»Gordy.« Er lallte wie ein Schlafwandler.
Die Hafenmeisterin blickte auf eine Karte und runzelte die Stirn. Dann fragte sie den Jungen noch einmal. »Na schön, Gordy. Wie lautet dein voller gesetzlicher Name?«
»Gordon Richard Arbuthnot.«
Sie nickte. »Von welchem Planeten stammst du?«
»New Dublin.«
»Wie alt bist du – in Standardjahren gezählt?«
»Elf.«
»Wie heißt dein Vater?«
Schweigen.
Sie wölbte die Augenbrauen. »Gordy, wie lautet der Name deines Vaters?«
»Sein Vater«, flüsterte Mr. dea’Gauss ihr ins Ohr, »ist tot.«
»Ich verstehe.« Diese verdammte Proge. Sie konnte auch in die Irre führen. »Gordy, wie hieß dein Vater?«
»Finn Gordon Arbuthnot.«
Wieder eine richtige Antwort. »Wie heißt deine Mutter?«
»Katy-Rose Davis.«
Noch ein Treffer. Sie wandte sich an den Arzt, der die Prozedur beaufsichtigte. »Doktor, können Sie bestätigen, dass die Droge bereits ihre volle Wirkung entfaltet hat?«
»Ja, die Droge wirkt, Thra Rominkoff.«
»Gut. Dann wollen wir mit der Vernehmung fortfahren.«
Sie legte eine Pause ein, um ihre Gedanken zu ordnen; die Fragen mussten sorgfältig formuliert werden, denn die Droge schränkte das Begriffsvermögen des Befragten stark ein. »Gordy, wann trafen du und Priscilla Mendoza auf diesem Planeten ein?«
»Mit dem ersten Shuttle.«
Mit dem ersten Shuttle? Sie brauchte eine konkrete Uhrzeit. »Ungefähr zur Stunde des Regenten«, half der nette Captain mit leiser Stimme aus, und sie bedankte sich mit einem Kopfnicken. »Warum warst du mit Priscilla Mendoza zusammen, Gordy?«
»Wir waren Urlaubspartner.«
»Man hatte euch einander zugeordnet?«
»Nein.«
Sie seufzte. »Wie kam es dann, dass ihr Urlaubspartner wurdet?«
»Ich fragte Priscilla, ob wir während des Landurlaubs Partner sein könnten, und sie sagte ja.«
»Wer bestimmte, wohin ihr gingt, als ihr
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