Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
dea’Gauss das Wort, »sind die Wappenmotive des Korval-Clans. Das Bild zeigt einen Drachen, der über einen Baum mit dichtbelaubter Krone wacht. Das Motto lautet: ›Ich fühle Mut.‹ Lady Mendoza ist mit dem Wappen wohl vertraut. Es nimmt auf der Dutiful Passage einen herausragenden Platz ein.«
»Also entsprang das Bild des Drachen nicht ihrer Fantasie; demnach war sie voll zurechnungsfähig.«
»Exakt!«, schnappte die Hafenmeisterin und sprang auf die Füße. Velnik wich einen Schritt zurück. »Sie wusste genau, was sie tat. Der Junge lebt. Die Person, von der er behauptet, sie habe ihn umbringen wollen, ist tot. Priscilla Mendoza wurde nicht gefragt, warum sie vorsätzlich Dagmar Collier getötet hat, Sergeant. Ihre Vernehmung war schlampig und völlig unzureichend.«
Velnik befeuchtete mit der Zungenspitze seine Lippen und nahm stramme Haltung an.
»Doktor, wirkt das Serum noch, das Sie Mendoza gaben?«
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Nein, es wird vom Körper ziemlich schnell abgebaut. Die Wirkung müsste mittlerweile stark nachgelassen haben.« Er blickte zur Anklagebank. »Die nächste Injektion kann ich ihr erst in zwei Tagen verabreichen, keinesfalls früher. Es bestünde sonst die Gefahr, dass sie sich nicht mehr erholt.«
Die Hafenmeisterin nickte. »Eine zweite Dosis wird ohnehin nicht nötig sein. Mein Urteil lautet, dass Priscilla Delacroix y Mendoza vom Vorwurf des Mordes freigesprochen wird. Hier gilt es nicht als Verbrechen, das Leben eines Kindes zu schützen! Wachtmeisterin, bringen Sie Priscilla Mendoza hierher, damit ich Sie in die Obhut ihres Captains übergeben kann.«
Mr. dea’Gauss fing Shans Blick auf. »Die Daxflan …«
»Mein Büro befasst sich derzeit mit diesem Problem, Gentlemen«, wandte sich die Hafenmeisterin an den älteren Herrn. »Sofern nicht irgendwelche unvorhergesehenen Schwierigkeiten aufgetreten sind, wurde das Schiff bereits im nahen Orbit festgesetzt. Ich denke, wir sollten bis morgen warten, ehe wir weitere Schritte unternehmen.«
Mr. dea’Gauss verbeugte sich. »Ein weiser Entschluss, Madam. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass die Fehde zwischen Lady Mendoza und Dagmar Collier seit längerem bestand. Ich weiß mit hundertprozentiger Sicherheit, dass Dagmar Collier Mylady und Mister Arbuthnot schon einmal tätlich angriff. Auf Arsdred.«
»Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir Einzelheiten über diesen Vorfall zukommen ließen, Sir. Und … Captain, ich bin zutiefst beschämt, weil meine Nachlässigkeit dazu beitrug, dass es zu diesem schlimmen Ereignis kam. Dagmar Collier hätte diesen Hafen niemals betreten dürfen. Ich bin für die Geschehnisse hier verantwortlich, und es tut mir aufrichtig leid. Ich stehe Ihnen zur Verfügung, sollten Sie meiner Hilfe in irgendeiner Weise bedürfen.«
»Sie sind sehr freundlich, Ma’am«, erwiderte er und lächelte matt.
»Hafenmeisterin«, meldete die Polizistin, die ohne Priscilla zurückkam und einen sehr nervösen Eindruck machte. »Hafenmeisterin, die Frau … bewegt sich nicht. Ich habe die Zellentür geöffnet und sie angesprochen, aber sie sitzt einfach nur da.«
»Ich komme mit Ihnen.« Der Captain verließ seinen Platz neben dem Jungen und gab dem älteren Gentleman ein Zeichen. »Wenn Sie so gütig wären, Sir, meine Stelle einzunehmen …«
»Selbstverständlich!« Mr. dea’Gauss setzte sich umständlich hin, legte unbeholfen einen Arm um die Schultern des Jungen und ließ es zu, dass Gordys Kopf auf seiner Brust ruhte.
»Gehen wir!«, blaffte der Captain die Polizistin an, als er an ihr vorbeistürmte. Sie musste ein paar Schritte rennen, um zu ihm aufzuschließen.
Polizeiwache, Gefängnistrakt, Crown City, Theopholis, Stunde der Narren
D as Licht in dem Raum war gnadenlos grell – nirgendwo ein schattiger Winkel. Mitten auf der Pritsche kauerte im Schneidersitz eine zerlumpte Gestalt, die Arme fest um die Taille geschlungen, der Kopf lag auf dem linken Knie. Sie zitterte am ganzen Leib.
»Aufstehen, Mendoza!«, rief die Polizistin in ruppigem Ton, als sie die Zellentür aufschloss.
Das Häufchen Elend rührte sich nicht.
Die Polizistin befeuchtete ihre Lippen und nahm einen neuerlichen Anlauf. »Wird’s bald, Mendoza? Ihr Boss ist hier!«
Keine Reaktion.
Shan legte eine Hand auf den Arm der Polizistin. »Lassen Sie mich mit ihr allein. Ich bringe sie dann mit.«
Die Frau schüttelte den Kopf und öffnete den Mund, um irgendein unsinniges Gesetz zu
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