Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
euch in der Stadt aufhieltet?«
»Ich durfte bestimmen.«
»Und du wolltest die Nietzsche Street entlanggehen?«
»Ja.«
»Warum?«
»Sie sah interessant aus.«
»Hat Priscilla Mendoza dir gesagt, du solltest in die Nietzsche Street einbiegen?«
»Nein.«
»Hat Dagmar Collier dir gesagt, du solltest in die Nietzsche Street einbiegen?«
»Nein.«
»Hat Priscilla Mendoza Dagmar Collier getötet, Gordy?«
»Ja.«
Sie unterdrückte einen Fluch, als Gordy diese vernichtende Antwort gab. Sie hörte, wie Sergeant Velnik sich neben ihr bewegte, und sah, dass der nette Captain mit den Lippen ein Wort formte. Sie sprach es dann laut aus.
»Warum hat Priscilla Dagmar umgebracht, Gordy?«
»Um mir das Leben zu retten.«
Mr. dea’Gauss, der an ihrer anderen Seite saß, beugte sich ein wenig vor und fixierte mit gespannter Aufmerksamkeit das schlaffe, kindliche Gesicht.
»War dein Leben denn in Gefahr, Gordy?«
»Ja.«
»Wie kam es zu dieser Situation?«
»Ich ging nicht mit Priscilla mit, sondern blieb einfach stehen.«
Die Hafenmeisterin nahm sich vor, Erkundigungen einzuziehen, ob es außer Pimmadrene noch andere Drogen gab, die man bei Verhören einsetzen konnte.
»Gordy, jetzt möchte ich von dir wissen, was von dem Augenblick an passiert ist, als du nicht mit Priscilla mitgingst, bis zu dem Punkt, als die Polizeibeamtin euch verhaftet hat.«
»Priscilla sagte, der Shuttle würde in genau einer Stunde Schiffszeit abfliegen. Sie wollte sich auf gar keinen Fall verspäten. Sie meinte, auf mich nähme der Captain vielleicht noch Rücksicht, aber sie dürfe sich keinen Patzer erlauben. Dann ging sie ein paar Schritte und rief: ›Gordy?‹ Ich sagte: ›Ja, ich komm ja schon.‹ Sie schlenderte weiter, doch gerade als ich ihr hinterherlaufen wollte, packte mich jemand. Es war Dagmar, die mich festhielt und an mir zerrte. Ich versuchte, mich loszureißen, aber es ging nicht, und auf einmal hatte Dagmar ein Messer in der Hand. Priscilla hatte sich umgedreht und kam auf uns zugerannt. Dagmar schrie: Stehenbleiben, Prissy!‹ Was Priscilla dann auch tat.« Eine kleine Pause trat ein, als der Junge seine Lippen befeuchtete.
»Was tat Dagmar mit dem Messer, Gordy?«
»Sie drückte es mir gegen den Hals. Direkt unter dem Kinn.«
»Hmm. Priscilla blieb also stehen. Und was geschah dann?«
»Dagmar schrie sie an: ›Du bleibst, wo du bist.‹ Als Nächstes fragte sie nach Shan. Ich versuchte wieder, mich zu befreien, aber Dagmar drückte mich so fest an sich, dass ich keine Luft mehr bekam. Sie sagte: ›Wenn du brav bist und schön stillhältst, dann lasse ich dich leben. Ungefähr eine Minute lang, vielleicht auch zwei.‹« Abermals entstand eine Pause. Die Hafenmeisterin ließ ihre Fingerknöchel knacken, ohne den Blick von dem schweißnassen Gesicht abzuwenden.
»Dagmar sagte, Priscilla müsse zusehen, damit sie Shan hinterher ganz genauso schildern könne, was passiert sei.« Eine Gerichtsdienerin kam mit einem Glas Wasser. Die Hafenmeisterin gab ihr einen Wink, sie solle es dem Jungen bringen.
»Ruh dich kurz aus, Gordy, und trink etwas.«
Gierig leerte er das Glas in einem Zug.
»Weiter, Gordy. Dagmar sagte, Priscilla müsse zusehen, damit sie hinterher Shan schildern könne, was passiert sei. Und was kam dann?«
»Priscilla fing an zu sprechen. Ich weiß nicht mehr, was sie sagte, aber in meinem Kopf war ein ganz komisches Gefühl. Sie redete, machte einen kleinen Schritt nach vorn, und Dagmar hielt mich plötzlich nicht mehr so fest gepackt. Ich wollte mich wieder befreien, aber in einer Nebenstraße gab es einen fürchterlichen Lärm, und daraufhin griff Dagmar wieder kräftig zu. Sie brüllte noch einmal, Priscilla müsse stehenbleiben. Priscilla versuchte weiterzusprechen, aber Dagmar fragte sie, ob Shan Priscillas Sachen zurückgekauft hätte. Sie sagte, sie hätte Priscillas Ohrringe mit einem Hammer zu Staub zerklopft und den Staub dann ins Weltall hinausgeworfen. Sie sagte, Shan sei nicht so schlau, wie er dächte; er hätte sie dabei ertappen wollen, wie sie das Zeug verscherbelte.
Priscilla fing von neuem an zu sprechen, und wieder hatte ich im Kopf ein seltsames Gefühl. Dann hörte ich Schritte, und Dagmar wollte, dass wir weggingen, denn in der Straße herrsche zu viel Durchgangsverkehr. Aber ich hatte Angst, mit Dagmar mitzugehen, und deshalb hielt ich mich an einem Pfahl fest. Ich dachte an den Baum, so wie Priscilla es mir beigebracht hatte, und auf einmal schaltete Dagmar das
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